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Vergangenen Mai in Erfurt:

Drinnen wie draußen …

wird nach den gleichen Regeln angepasst, sagte sich eine Pensionskasse mit Blick auf die Escape-Klausel – und wurde dafür von ihrem eigenen Ex-Mitarbeiter gleich dreimal vor den Kadi gebracht. Das juristische Schlachtenglück wogte hin und her, doch das Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichtes liegt nun vor – und schafft klare Verhältnisse.

Des widerspenstigen 15erZuschuss erneute Zähmung war eben erst Gegenstand aufPENSIONSINDUSTRIES, schon folgt heute die nächste Meldung aus Erfurt zu Erfurt:

Der 16er, dessen Escape-Klausel bekanntlich schon Gegenstand einer längeren legislativ-exekutiv-judikativer Auseinandersetzung war, und außerdem technisch an recht enge Voraussetzungen geknüpft ist, musste sich in einer Sonderkonstellation vor dem Dritten Senat verantworten – Sonderkonstellation dergestalt, dass eine EbAV hier EbAV und (Ex-)Arbeitgeber in Personalunion ist. Zu dem Fall:

VPI statt Überschüsse?

Der im April 1951 geborene Kläger war von 1981 bis zur Kündigung Ende 2014 bei der beklagten regulierten Pensionskasse VVaG beschäftigt und hatte bei Eintritt eine PK-Zusage erhalten. Seit Oktober 2016 bezieht der Kläger von der PK, die auch sein Arbeitgeber war, eine Betriebsrente, seinerzeit festgesetzt auf monatlich 1.297 Euro, ab Juni 2020 1.326,63 Euro.

Nun wollte der Ex diese Rente ab dem 1. Oktober 2019 angepasst sehen, und zwar gemäß VPI vom September 2016 bis September 2019 (ca. 5%), entsprechend einer monatlichen Erhöhung um gut 65 Euro.

Vom Niederrhein …

Prompt ging die Sache vor Gericht. Der Rentner vertrat die Ansicht, die Anpassungsverpflichtung des PK/AG nach § 16 Abs. 1 BetrAVG sei nicht nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG ausgeschlossen. Denn: Das insoweit maßgebliche Übergangsrecht in § 30c Abs. 1a BetrAVG verstoße gegen höherrangiges Recht, die Bestimmung sei daher in ihrer derzeitigen Fassung nicht anwendbar. Die Kasse könne sich zudem deshalb nicht auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG berufen, weil sie zugleich sein Arbeitgeber gewesen sei. Die Vorschrift setze die Pensionskassenversorgung über einen mittelbaren Durchführungsweg voraus und verlange, dass zusagender Arbeitgeber und Durchführender der Zusage der bAV auseinanderfallen. Wie er auf diese Idee kam, führt das BAG in seinem Urteil leider nicht aus.

FG und LAG Düsseldorf. Foto: Justiz NRW.

Das ArbG hatte der Klage stattgegeben, das LAG Düsseldorf mit 12 Sa 683/23 vom 24. April 2024 die Berufung des Beklagten abgewiesen.

nach Thüringen

Der Rentner gab keine Ruhe, zog nach Erfurt – und unterlag am 6. Mai unter 3 AZR 142/24 erneut. Der Leitsatz des Dritten Senats lautet:

Die Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG entfällt nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG, wenn die bAV über eine Pensionskasse im Sinne des § 1b Abs. 3 BetrAVG durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.“

Das BAG auf der Erfurter Zitadelle. Foto: Bazzazi.

Soweit, so klar. Doch die kleine Besonderheit des Falls adressiert das Gericht im zweiten Teil des Leitsatzes:

Dies gilt auch dann, wenn eine Pensionskasse ihren eigenen Arbeitnehmern eine betriebsrentenrechtliche Versorgungszusage erteilt, die über sie selbst als Pensionskasse durchgeführt wird.“

Der Anwendung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in der derzeit geltenden Fassung stehen weder Verfassungs- noch Unionsrecht noch der Umstand entgegen, dass der Kläger Arbeitnehmer der beklagten Pensionskasse ist, über die die von ihr zugesagte bAV durchgeführt wird, stellt der Senat klar.

Fazit von PENSIONSINDUSTRIES: Klarheit ist eine Tugend

Besieht man sich die jüngsten Entscheidungen des Dritten Senats, kann man konstatieren, dass dieser in der gegenwärtigen Besetzung offenbar dazu neigt, offene Fragen so grundsätzlich zu klären, dass der Raum für Missverständnisse in dem Verhältnis AG, AN und EbAV rapide schmilzt.

Die eigentümliche Rechnung des Rentners ging auf dem Petersberg nicht auf. Straßenszene, gesehen in Erfurt, Foto: Baz.

Vor diesem Hintergrund bleibt spannend zu beobachten, wer von beiden zuerst mit der Aufgabe konfrontiert sein wird, in der Causa Rentnergesellschaft neue, längst überfällige Leitplanken zu fixieren – Gericht oder Gesetzgeber.

Das Urteil 3 AZR 142/24 des BAG findet sich hier.

Das zur heutigen Headline anregende Kulturstück findet sich hier.


 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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