Schon des häufigeren wurde vermeldet, dass der erste SPM-Pilot unmittelbar vor dem Start stehe – doch immer wieder kam es zu Verzögerungen. Nun sollen jedoch gleich drei Pioniere in Kürze an den Start gehen. Das wurde aus dem ersten Treffen einer neuen Gesprächsrunde bekannt, in der sich Frauen aus der deutsche bAV austauschen.
Im November 2020 hatte der Consultant Lurse mit 15 Altersvorsorge-Expertinnen ein Frauennetzwerk initiiert, den Round Table „Frauen in der bAV“.
Die Vertreterinnen kommen quer vom Pensions-Parkett – Altana, Bayer, Boehringer Ingelheim, BMW, BMAS, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Deutsche Telekom, Evonik Industries, IG Metall, Henkel, HHLA, Heidelberger Druckmaschinen, Krones, Siemens und Verdi – und wollen sich zweimal jährlich treffen (derzeit online).
Im Dezember hat das erste dieser Treffen stattgefunden, und gleich ging es um ein Thema, dass schon in kurzer Zeit die bAV-Schlagzeilen dominieren dürfte: das Sozialpartnermodell. Denn hier scheint es nun wirklich nach langer Wartezeit ernst zu werden, wie LEITERbAV von Lurse erfuhr:
Die Sicht der Gewerkschaften
Judith Kerschbaumer, Leiterin Sozialpolitik, ver.di Bundesverwaltung und Kerstin Schminke, Politische Sekretärin Tarifpolitik/-recht, IG Metall berichteten erneut über den aktuellen Stand der Verhandlungen und die Perspektiven des Sozialpartnermodells aus Sicht der Gewerkschaften.
ver.di geht voran …
Kerschbaumer erläuterte vor den Kolleginnen, dass ver.di seit gut einem Jahr die ersten Sozialpartnermodelle in Form von Flächen- und Haustarifverträgen verhandelt. Konkret sprach die Juristin über den Haustarifvertrag des Versicherers HDI, der im Konsortium mit der Zurich das diesbezügliche SPM bereits im Herbst 2019 einsatzbereit gemeldet hatte.
… mit Versichern, Banken und Versorgern
Darüber hinaus sprach Kerschbaumer von zwei weiteren SPM, die sich in der akuten Phase befänden: einem Flächentarifvertrag im Bankensektor und einem Haustarifvertrag eines Energieunternehmens (der Anbieter für den Bereich des Kreditwesen sowie der Versorger sind beide der Redaktion bekannt, doch verzichtet LbAV in diesem Stadium noch auf die Nennung).
In allen diesen Fällen sei das Sozialpartnermodell von den Beschäftigten vor dem Hintergrund eines höheren Renditewunsches gefordert worden. Die Verhandlungen sollen Anfang 2021 abgeschlossen sein, so Kerschbaumer weiter.
Reputation, Respekt und Regulierung
Kerschbaumer betonte, dass das Sozialpartnermodell Neuland für die Gewerkschaften und alle Beteiligten bedeute und man sich vom Gesetzgeber mehr gesetzliche Vorgaben gewünscht hätte. Insgesamt habe man einen großen Respekt vor dem Vorhaben. Das Reputationsrisiko der Gewerkschaften in der Sache sei groß.
ver.di stelle sieben Anforderungen an ein SPM, so Kerschbaumer:
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als Partner nur Anbieter, die ihren eigenen Beschäftigten eine Betriebsrente mit breiter Arbeitgeberbeteiligung oberhalb der gesetzlich verpflichtenden Weitergabe der SV-Ersparnis bei Entgeltumwandlung zusagen; substantielle Arbeitgeberbeteiligung
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zusätzlich Sicherungsbetrag für das Entfallen der Arbeitgeberhaftung.
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keine Verschlechterung oder Ablösung bestehender Betriebsrentenmodelle durch SPM
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Finanzanlagen entsprechen ESG-Kriterien
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Fördermöglichkeiten wie die Niedrigverdiener- und Zulagenförderung nutzbar
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gute Einbindung der Gewerkschaften bei Durchführung und Steuerung.
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tarifexklusiv
IG-Metall mit Zurückhaltung und dem Wunsch nach Garantien
Schminke berichtete, dass es bei der IG Metall seit der Tarifrunde 2018 eine Gesprächsverpflichtung zum SPM gebe. Auf dem Gewerkschaftstag 2019 sei vorgegeben worden, dass eine 100%-Garantie gegeben sein müsse, wenn die bAV zu Lasten von Entgelterhöhungen ginge.
Hauptkriterium des Sozialpartnermodells bei der IG Metall sei, dass keine Entgeltumwandlung, sondern eine arbeitgeberfinanzierte Versorgung durchgeführt werde. Aber: In den kommenden Tarifrunden sei das SPM kein Thema. Aufgrund der strukturellen Probleme der Metallbranche stünden Beschäftigungs- und Strukturfragen im Zentrum künftiger Tarifverhandlungen. Daher stünde die IG Metall in Sachen SPM drei Schritte hinter ver.di.
Grundsätzlich sei die IG Metall der Ansicht, dass bAV vom Arbeitgeber finanziert werden müsse. Die bAV stelle eine Ergänzung zur ersten Säule dar.
Von Alternativen, Nachbesserungen und Sicherheitsaffinität der Arbeitnehmer
Außerdem im folgenden einige Einschätzungen zum SPM durch einige Teilnehmerinnen des Lurse Round Tables:
„Wenn kapitalgedeckte Altersvorsorgeprodukte mit Garantien weiter an Attraktivität verlieren, wie das derzeit viele Experten sehen, dann sind garantiefreie, aber dennoch sichere und hocheffiziente Sozialpartnermodelle offenbar eine sehr interessante Alternative.“
Natalie Brall, Unterabteilungsleiterin, BMAS.
„Im Kontext von Großkonzernen ist das Sozialpartnermodell hinter firmeneigenen Direktzusagemodellen zurückstehend. In punkto Haftung, angesichts der Sicherheitsaffinität der Arbeitnehmer, leider in den heutigen Zeiten noch nicht ausgereift.“
Sabine Eichler, Spezialistin Vergütungsmanagement, Compensation and Benefits, Human Resources and Social Affairs, Krones.
„Gut ist der Ansatz des Gesetzgebers, durch Einführung des Sozialpartnermodells die bAV vor allem für mittlere und kleine Unternehmen zu fördern. Wie der Vortrag aufgezeigt hat, sind Nachbesserungen im Gesetz zur Überwindung der Hürden in der Gestaltung und Umsetzung wünschenswert bzw. sogar notwendig.“
Monika Hennersberger, Vergütung und Zusatzleistung, Betriebliche Altersvorsorge, Altersteilzeit, BMW Group.
„Die ersten Sozialpartnermodelle befinden sich auf der Zielgeraden und starten aller Voraussicht nach im nächsten Jahr (also 2021, Anm.d.Red.). So wird die bAV einen Schub bekommen. Zusammen mit der geplanten Digitalen Rentenübersicht rückt die Altersversorgung wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen. Das ist gerade für Frauen wichtig.“
Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik, ver.di Bundesverwaltung.
„Eine entscheidende Frage ist, wie Mitarbeitende in garantiefreie Modelle vertrauen sollen.“
Vera Schieferecke, Head of CoE Total Rewards, Altana.
„Die Einführung der reinen Beitragszusage, welche in der Verantwortung der Tarifvertragsparteien steht, ist eine gute Idee. Sie erfordert aber viel Kommunikation, um die Menschen mitzunehmen. Erste Tarifverträge, wie sie bei ver.di in der Diskussion sind, können helfen Vertrauen zu schaffen.“
Kerstin Schminke, Politische Sekretärin Tarifpolitik/-recht, IG Metall.
„Das Sozialpartnermodell konnte sich bislang noch nicht etablieren. Für größere Arbeitgeber mit stimmiger Systemlandschaft besteht diesbezüglich kein Handlungsbedarf. Ob erste tarifvertragliche Umsetzungen die Tür in eine neue, rein beitragsbezogene Welt der bAV öffnen, bleibt abzuwarten.“
Tamara Voigt, Head of Pensions Strategy, Bayer AG.
Einen Querschnitt der Haltung der deutschen Assekuranz zum Sozialpartnermodell hatte Lurse ebenfalls im vergangenen Herbst ermittelt.