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Großkampftag in Kassel:

Die Krux mit der Kapitalleistung

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat morgen über gleich vier Revisionen aus dem Versicherungs- und Beitragsrecht zu entscheiden, drei davon betreffen die bAV, genaugenommen Direktversicherungen.

 

 

Das Gericht erläutert die drei Sachen vorab (gerafft zitiert), in der die Kläger unisono das Grundgesetz bemühen:

 

Kind ist nicht wie Witwe?

 

Zur Sache B 12 KR 12/18 R: Die 1978 geborene Klägerin ist bei der beklagten BKK Mobil Oil und BKK Pflegekasse Mobil Oil pflichtversichert. Nach dem Tod ihres Vaters erhielt sie im April 2013 eine Kapitalleistung aus einer bAV-Direktversicherung. Diese hatte der Ex-Arbeitgeber des Vaters der Klägerin 1989 abgeschlossen. Ab dem Ruhestand 2009 führte der Vater die Versicherung in eigenem Namen fort. Das Bezugsrecht im Todesfall lautete auf die Klägerin, die auch Alleinerbin war. Von der Kapitalleistung entfielen gut 82.000 Euro auf die bis einschließlich April 2009 erworbene bAV.

 

Die Kasse zog die Kapitalleistung für zehn Jahre zur Beitragspflicht in GKV und sPV heran, in der Folge zuzüglich Mahngebühren und Säumniszuschlägen. Die Klägerin kündigte das Versicherungsverhältnis und wechselte die Krankenkasse zu Mai 2014. Klage und Berufung blieben erfolglos.

 

Das Bundessozialgericht in Kassel. Foto: Dirk Felmeden.

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, die Heranziehung von Direktversicherungsleistungen Kassenbeiträgen sei nur zulässig, soweit eine bAV den Charakter der Ersetzung oder Ergänzung einer gesetzlichen beitragspflichtigen Versorgungsrente habe. Die Witwe eines Arbeitnehmers befinde sich in Bezug auf die Vergleichbarkeit zur gesetzlichen Rente in einer anderen Situation als ein volljähriges erwerbstätiges Kind. Ihr Vater sei nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen. Es bedeute eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen Art 6 GG, wenn die Leistungen aus der Direktversicherung der Beitragspflicht nur deswegen unterworfen würden, weil die Klägerin als Bezugsberechtigte angegeben worden sei, während sie als Alleinerbin ihres Vaters – oder bei ihrem Vorversterben Erben entfernterer Ordnung – nicht beitragspflichtig geworden wären.

 

Vorinstanzen waren das SG Augsburg – S 10 KR 289/14 – am 27. April 2016 sowie das Bayerische LSG – L 4 KR 257/16 – vom 15. März 2018.

 

Ab wann ist man faktisch Versicherungsnehmer?

 

Zur Sache B 12 KR 12/18 R: Die 1948 geborene Klägerin ist bei der beklagten AOK in der KVdR und bei der beigeladenen Pflegekasse in der sPV versichert. 1982 schloss ihr Ehemann als Arbeitgeber für sie im Rahmen der bAV eine Direktversicherung ab. Das Arbeitsverhältnis endete 1992, und 1997 meldete der Ehemann sein Gewerbe ab. Seit 1992 trägt die Klägerin die Beiträge selbst. 2006 wurde der Versicherungsvertrag geändert, die Klägerin rückte anstelle ihres Ehemanns in die Stellung als VN ein. Im August 2013 wurde ihr die Kapitalleistung ausgezahlt. Die Beklagte verteilte den auf die Zeit bis 2006 entfallenden Betrag auf 120 Monate und setzte darauf auch im Namen der Beigeladenen Beiträge zur GKV und sPV fest.

 

Die Klage richtet sich gegen die Erhebung von Beiträgen auf die Leistung, die auf die Zeit nach 1992, hilfsweise nach 1997, entfällt. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG. Mit der Betriebseinstellung habe der Arbeitgeber nicht mehr existiert. Damit sei seine Eigenschaft als VN entfallen und auf sie übergegangen. Für die Ungleichbehandlung ihrer Direktversicherung mit den betrieblichen Riesterrenten liege kein rechtfertigender Grund vor.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen. Nur Kapitalleistungen einer Direktversicherung, die auf Beitragszahlungen eines Arbeitnehmers als VN beruhten, seien nicht beitragspflichtig. Der Versicherungsvertrag sei jedoch erst 2006 dahingehend geändert worden. Die Herausnahme nur der betrieblichen Riesterrenten aus der Beitragspflicht durch das BRSG sei jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

 

Vorinstanzen waren das SG Stade – S 15 KR 105/14 – am 29. September 2015 und das LSG Niedersachsen-Bremen – L 4 KR 415/15 – am 24 Juli 2018.

 

Riester gegenüber Direktversicherung privilegiert?

 

Zu der Sache B 12 KR 17/18 R: Der 1947 geborene Kläger ist bei der beklagten Techniker Krankenkasse in der KVdR und bei der beigeladenen Pflegekasse in der sPV versichert. 1997 schloss seine Arbeitgeberin für ihn im Rahmen der bAV als Direktversicherung ab. Die Beiträge führte sie einmal jährlich aus dem Entgelt des Klägers an die Versicherung ab. Im Dezember 2011 erhielt der Kläger eine Kapitalleistung. Die Beklagte verteilte den ausgezahlten Betrag auf 120 Monate und setzte darauf auch im Namen der Beigeladenen Beiträge zur GKV und sPV fest.

 

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG. Die Rechtsprechung des Senats zur Beitragspflicht auf Kapitalleistungen aus Direktversicherungen sei verfassungswidrig. Für die Ungleichbehandlung seiner Direktversicherung mit den betrieblichen Riesterrenten liege kein rechtfertigender Grund vor.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen. Die Herausnahme nur der betrieblichen Riesterrenten aus der Beitragspflicht durch das BRSG sei jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

 

Vorinstanzen waren das SG Braunschweig – S 37 KR 67/13 vom 3. Dezember 2015 und das LSG Niedersachsen-Bremen – L 4 KR 15/16- am 24. Juli 2018.

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