Jeden Freitag bringt Leiter-bAV.de eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: 6 heißt auch 6a, und sonst nur Off Topic.
Zunächst:
Dabei hatten die Grünen nach einer Anpassung des steuerlichen Diskontsatzes gefragt, allerdings nicht nach dem Paragrafen 6a des EStG, sondern nach dem Paragrafen 6 Absatz 1 Nummer 3a Buchstabe e EStG, der sich aber gar nicht explizit mit Pensionsrückstellungen befasst. Das BMF hatte hier zwar eine Prüfung der Regelungen des Paragrafen 6 zugesagt, doch blieb der 6a vom BMF – da nicht danach gefragt worden war – wenig überraschend unthematisiert. Doch bestätigte das BMF gestern noch gegenüber Leiter-bAV.de: Auch der 6a mit seinen 6 Prozent wird vom BMF auf den Prüfstand gestellt werden.
Mehr Details zur Antwort des BMF beizeiten auf Leiter-bAV.de, und nun zur Presseschau, die heute nur OFF TOPIC kennt:
Spiegel.de (29. Juli): „Grünenkritik an Erdogan – Özdemir sieht Türkei auf dem Weg zum 'Mini-Pakistan'.“
Eigentlich müsste das hier kaum noch kommentiert werden, so eindeutig ist die Sachlage. Kassandra hatte schon im letzten Herbst (siehe hier und vor allem hier) geunkt, dass die cäsarenhafte Erdogan-Administration sich bei ihren ersten Gehversuchen als mögliche Ordnungsmacht im Nahen Osten ordentlich verkalkuliert hat – vor allem, weil sie übersehen hat, dass Ordnungsmacht von Ordnung kommt und nicht von Unordnung. Eine geopolitische Destabilsierungsstrategie – und eine solche hat die Türkei gefahren, als sie den IS mehr oder weniger offen unterstützt und gegen Assad Stellung bezogen hat – ist nunmal immer unklug für denjenigen Akteur, der als geographischer Nachbar im Wirkungskreis des Geschehens liegt, und sinnvoll nur für den raumfremden Akteur, der geographisch entfernt liegt (beispielsweise getrennt durch einen atlantischen Ozean), so dass ihn die Folgen kaum erreichen.
Und die Folgen für die Türkei zeigen sich gerade wie prognostiziert. In der Presseschau im vergangenen Oktober hieß es:
„Jetzt, nachdem die Sache mit dem IS aus dem Ruder gelaufen ist und die Türkei nach dem Kurswechsel des Westens mit der möglichen Entstehung eines autonomen Kurdenstaates konfrontiert ist, sieht sie sich genötigt, vermutlich beizeiten zur Ultima Ratio greifen zu müssen: zur Militärintervention. […] Offizielle Begründung würde natürlich die Bekämpfung des IS sein, faktisches Motiv ist, ihren geostrategischen Alptraum namens Kurdenstaat zu verhindern. Ganz im Sinne des Fluchs der bösen Tat ist die Türkei damit nun Gefangener ihres eigenen Handels und muss ihre doppelzüngige Politik also zwangsläufig fortsetzen. Gut, möglicherweise bleibt ihr jetzt in der Tat nichts anderes mehr übrig als direkt einzugreifen.“
Das realisiert sich nun im besten Sinne, und in der Tat, die Türkei spielt geopolitisch weiter mit gezinkten Karten. Und entsprechend wird sie sich immer tiefer in den Morast reiten; nochmal aus der Oktober-Presseschau:
„Interveniert die Türkei (weil sie es muss), riskiert sie also, für Jahre, vielleicht Jahrzehnte in einen ständig schwelenden Konflikt militärisch reingezogen zu werden, ja sogar direkter Bestandteil der komplexen innerislamischen Auseinandersetzung zwischen Schiiten, Alawiten, Kurden und Sunniten zu werden, den Konflikt gar in das eigene Land zu importieren – was durch Flüchtlinge bereits der Fall ist und im ungünstigsten Fall durch einsickernde Terroristen verschärft werden könnte. Übrigens kann dann von einem EU-Beitritt für lange Zeit keine Rede mehr sein.“
Ebenso eindeutig wie die Sachlage ist mittlerweile der Tenor im Ausland: Verfolgt man die internationale Presse, findet man praktisch keinen Leitartikler, der die Lage nicht zutreffend analysiert. Doch keiner hat das so prägnant auf den Punkt gebracht wie Cem Özdemir, wenn er nun von der Türkei als einem „Mini-Pakistan“ spricht. Eingängiger und treffender geht's nimmer. Doch damit genug des Kassandra-Lobes für Özdemir, hat der seine geopolitische Insuffizienz doch wie die Grünen an sich hinreichend bewiesen, als sie seinerzeit 2011 Deutschland doch ach so gern militärisch am Sturz Gaddafis beteiligt hätten – und diesen Sturz blutig herbeigebombt zu haben war wohlgemerkt die wohl größte Fehlentscheidung Europas der Nachkriegszeit, deren destabilisierende Folgen bis heute weite Kreise ziehen, von Libyen über Tunesien bis nach Mali, Nigeria, Syrien und Lampedusa – und mittelbar bis in die Türkei.
FAZ (8. Juli): „Ausverkauf deutscher Panzer an Frankreich verhindern!“
Auch das Thema Nexter-KMW ist hier schon beizeiten aufgegriffen worden (obwohl es die bAV nur sehr mittelbar, namentlich die der dort Beschäftigten, betrifft.). Es sei wiederholt: Die stete deutsche Bereitschaft, mit den Nachbarn, besonders mit den Franzosen, alles mögliche zu poolen (seien es nun Banken oder Staatsschulden, seien es Industrieunternehmen oder Arbeitslosenversicherung), dürfte Denkende westlich des Rheins regelmäßig Schmunzeln machen. Wenn man in diesen Zeiten hört, dass Deutsche und Franzosen sogenannte „Europäische Champions“ schmieden wollen, dann weiß man von vornherein, wer hier am Ende der Dumme ist. Das kann man bei Airbus (mit ein wenig Einblick in das Unternehmen), noch besser aber bei der ehemaligen Hoechst AG betrachten, eine ehemalige Perle der deutschen Industrie, die völlig aufgegangen ist in der heutigen französischen Sanofi. Offenkundig ist, dass Deutschland erneut – und wie so oft – gegen seine Interessen handelt.
Hier ein Gastbeitrag in der FAZ, der die Problematik treffend analysiert und natürlich völlig ungehört verhallt ist. Dass der Artikel, der in Deutschland übel beleumundete Begriffe wie „nationales Interesse“ gleich mehrfach enthält, allerdings ausgerechnet von einem SPD-Politiker verfasst worden ist, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie.
FAZ (25. Juli): „Der König in der Schachtel.“
Interessieren sie sich für Spanien, liebe Leserinnen und Leser? Wer das Land in den letzten zehn Jahren regelmäßig bereist hat, dem ist nicht entgangen, wie sehr es sich verändert hat. Klar: Immobilien- und Finanzkrise, viel zuviel billiges Geld, industrielle Rückständigkeit und unfassbar korrupte Politiker links wie rechts sind das eine, nämlich elementare Bestandteile der Chronik einer angekündigten Katastrophe.
Das andere ist die Mikroebene das Alltags. Und hier, sei es in der Justiz, bei den Finanzbehörden, im Straßenverkehr, im Bauwesen und der Bauaufsicht, selbst in der Gastronomie und hin bis zum Taxichauffeur und Busfahrer hat sich eine strikte Korrektheit, eine Gesetzes- und Regeltreue etabliert, die in Kontinentaleuropa ihresgleichen sucht und die man ansonsten nur im angelsächsischen Raum findet. Mal fünfe gerade sein lassen, kleine Regelverletzungen begehen oder auch nur ein kleines bisschen von dem drehen, was der Kölner Klüngel nennt – nichts von alledem mehr gibt es mehr unter iberischer Sonne.
Sicher: Strukturkonservativ, gar ein wenig spießig war Spanien schon immer, nur versteckte sich diese Spießigkeit erstens gut hinter Palmen, Meer und blauem Himmel, und zweitens hinderte sie die Spanier nicht daran, ihr Leben abseits von öffentlichen Vorschriften so zu gestalten, wie sie es für richtig hielten – besonders, wenn es ums Geschäft ging.
Das ist anders geworden. Polizeien und Behörden sind hochpenibel zielorientiert, und die Regeln des Alltags sind heute klar und hart. Überschreitungen finden praktisch nicht statt, und wenn doch, werden sie überkonsequent bestraft. Das macht selbst am Playa nicht halt, wie das Foto belegt, aufgenommen in diesem Juli am schönen Strand von Cala Mayor:
Sie bringen Ihren Hund mit? Strafe über 1.800 Euro! Das gleiche gilt, wenn Sie Scherben hinterlassen. Eine Zigarettenkippe lässt sich da vergleichsweise milde an, hier werden nur gut 1500 Euro fällig. Und seien Sie gewiss: Das sind keine leeren Drohungen. Diese Strafen werden konsequent exekutiert, wenn, ja wenn jemand nur mal die Regeln verletzten würde. Doch niemand tut es, weit und breit nicht. An Spaniens Stränden wird sich heute benommen wie sonst nur in einer mormonischen Nonnenschule. Wahrlich, gegen das Regelbewusstsein des alltäglichen Spanien von heute ist Deutschland praktisch ein Failed State, Berlin im Vergleich zu Palma de Mallorca ein Moloch der Anarchie.
In der Politik ist diese neue „Kultur“ noch nicht vollständig angekommen. Dabei steht das Land an nicht weniger als an einem Scheideweg. Dies beschreibt kenntnisreich der Spanien-Korrespondent der FAZ, Leo Wieland, in dem verlinkten Beitrag. Die Zentrifugalkräfte – besonders im Baskenland und in Katalonien – gewinnen ständig an Dynamik und treffen auf einen erstarkenden und hier durchaus paarungsbereiten Linkspopulismus, dem die etablierten, aber krisengeschüttelten bürgerlichen Parteien, seien es die rechte PP oder die linke PSOE, weitgehend sprachlos gegenüberstehen.
Monarchie und Eintracht im Land versus Republik und Verlust der Einheit: Für den jungen König Felipe VI. geht es in dieser Phase um nicht weniger als um alles. Eine gewisse Handlungsbereitschaft hat er dabei schon unter Beweis gestellt, als er seine Schwester fallen ließ, indem er ihr sang- und klanglos den Titel der Herzogin von Palma de Mallorca entzog. Deren mutmaßlich korrupter Ehemann wird wohl beizeiten – unkt Kassandra – spanische Gefängnisse von innen kennenlernen. Und je mehr die (republikanischen) Zentrifugalkräfte in Spanien ansteigen, desto mehr wird sich der König in die Politik einmischen müssen, will er nicht eines Tages vor der Abdankung stehen und als vergeblicher Verteidiger der Monarchie in die Geschichtsbücher eingehen.
Im Herbst oder Winter sind Wahlen in Spanien, und die werden ebenso spannend wie der weitere Weg des Landes in den nächsten zwei Jahren. Hinzu kommen 2017 Präsidentschaftswahlen in Frankreich und Brexit-Volksbefragung in Großbritannien. Nicht nur Spanien steht an einem Scheideweg.