Regelmäßig Freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Frei nach Winston Churchill. Und am Ende wird geheiratet.
Süddeutsche Zeitung (1. November): „Warum die Rente mit 63 die falsche Baustelle ist.“
Einen völlig falschen Schwerpunkt sieht der SZ-Autor in der Rentenpolitik der Union gesetzt. Das betreffe auch die bAV:
„Auch die 'Doppelverbeitragung' von Betriebsrenten ist ein Ärgernis. Zu wenigen Themen haben die Abgeordneten so viel Protest gehört wie zu der Pflicht, auf Betriebsrenten den ganzen Krankenkassenbeitrag alleine zahlen zu müssen.“
Das mag stimmen. Relevante Wirkung auf die Politik, das Problem grundsätzlich und umfänglich zu sanieren, hat dieser Protest offenbar aber nicht ausgelöst.
Handelsblatt (2. November): „Bank of England hebt Leitzins auf 0,5 Prozent.“
Die britische Notenbank hat also einen kleinen Zinsschritt unternommen. Ist das die Wende? Nun, Kassandra fühlt sich an Winston Churchill nach El Alamein erinnert: „Das ist nicht das Ende. Das ist auch nicht der Anfang vom Ende. Aber vielleicht ist es das Ende des Anfangs.“
In der Tat wäre es noch viel zu früh, hier von einem Kurswechsel zu sprechen. Doch grundsätzlich muss festgehalten werden: Die USA und Großbritannien haben es deutlich leichter als Euroland, auf herkömmlichen, konventionellem Wege aus der Politik des billigen Geldes auszusteigen (zumindest wenn die Wechselkurse gegenüber dem Euro das ohne zu explodieren dauerhaft mitmachen, aber noch scheint das ja durchaus der Fall zu sein). Doch auch diese beiden Länder werden dazu viele Jahre brauchen. Kassandras Tipp: Für jedes Jahr Niedrigzins benötigt es zwei Jahre der Normalisierung. Stimmte diese These, würden Stand heute auch USA und UK also noch 20 Jahre brauchen, bis sie wieder in der Normalität wären.
Ungleich diffiziler dagegen die Lage in Euroland: Die EZB muss in der Geldpolitik auf viel zu viele völlig unterschiedliche nationale Befindlichkeiten, politische Interessen und realpolitische Zwänge Rücksicht nehmen, die sich teilweise diametral widersprechen und oftmals die Geldpolitik nur nutzen, fällige Reformen zu vertagen oder schlicht ganz abzulehnen (und auch deshalb bleibt Euroland nach Ansicht Kassandras hier nur die ordnungspolitisch unkonventionelle Flucht nach vorn).
Festzuhalten bleibt jedenfalls auch, dass selbst das unabhängige und damit relativ leicht zu steuernde Großbritannien sich immer schwerer tut, die Verwerfungen des Niedrigzinses auf der Ebene der Geldpolitik zu korrigieren. Die Inflation steigt längst signifikant (ganz zu schweigen von der Asset Allocation, die von den Statistikern stets geflissentlich übersehen wird, aber schon lange jedes Maß überschritten hat), doch schnelle Zinsschritte nach oben (beispielweise so schnell, wie sie nach unten erfolgten), würden auch in UK schlicht zum Kollaps führen (und würden es in Euroland erst recht).
Zeit also für ein zweites Bonmot, das deutschen Bundesbankern alten Schlages zugeschrieben wird und das nun möglicherweise neue Aktualität gewinnen könnte: „Wer mit der Inflation flirtet, wird irgendwann von ihr geheiratet.“