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Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Jahreskonferenz 2019 der EAPSPI in München:

Denkanstöße zum Sinn und Ziel von Altersversorgung

Weiter geht es auf LEITERbAV mit der Berichterstattung zu den vielen Herbsttagungen 2019: Im Oktober trafen sich bei der AKA in München die europäischen Verbände der öffentlichen Zusatzversorgungssysteme. Kerstin Ippisch und Roland Ried dokumentieren für LbAV Statements einiger der Referenten.

 

Ein Altersversorgungsmodell kann nur dann auf Dauer genügend Akzeptanz erhalten, wenn es ein ausreichendes Maß an Generationengerechtigkeit herstellt.

 

Aber auch ein gerechtes Altersversorgungssystem verfehlt sein Ziel, wenn für die Leistungsempfänger nicht genügend Finanzmittel bereitgestellt werden können, um im Alter deren Lebenshaltungskosten zu decken. Altersversorgungseinrichtungen unterliegen deshalb der Verpflichtung, ihre Finanzmittel langfristig ertragbringend und verantwortungsvoll zu investieren.

 

Johan Janssens, SdPSP und Vorsitzender der EAPSPI. Foto: AKA.

Die Fragen – „Wie soll investiert werden?“ und „Wie kann Generationengerechtigkeit gewahrt werden?“ – standen im Mittelpunkt der Jahreskonferenz 2019 der EAPSPI. Organisiert von der AKA, fand die alljährliche Tagung der European Association of Public Sector Pension Institutions am 25. Oktober 2019 im Palais-Saal des Hotels Bayerischer Hof in München statt.

 

Begrüßt werden die rund 60 Konferenzteilnehmer von BVK-Vorstandsmitglied Reinhard Graf in seiner Funktion als Vorsitzender der AKA e.V. (Arbeitsgemeinschaft für kommunale und kirchliche Altersversorgung) und vom EAPSPI-Vorsitzenden Johan Janssens.

 

Die erste Hälfte der Veranstaltung steht ganz im Zeichen des nachhaltigen Investierens. Die Abkürzung „ESG“, die für die Kriterien der ökologischen Verträglichkeit (Ecology), sozialen Ausgewogenheit (Social) und unternehmerisch korrekten Verwendung von Investitionen (Governance) steht, lieferte das Leitmotiv für die hochkarätigen Vorträge, die am Vormittag gehalten wurden; hier nur einige Auszüge (im Indikativ der Referenten):

 

Prof. Andreas Hoepner, Full Professor of Operational Risk, Banking & Finance, University College Dublin.

 

Andreas Hoepner, University College Dublin. Foto AKA.

Hoepners Vortrag „ESG & Risiko in der wissenschaftlichen Betrachtung“ arbeitet auf der Basis mathematisch-finanzwissenschaftlichen Analysen folgendes heraus:

  • Jede Portfolioplanung muss zukünftige Risiken einkalkulieren.

  • Dies geschieht oft mit Hilfe mathematischer Rechenmodelle, bei denen Abweichungen von der Regelverteilung als Risiken eingestuft werden.

  • Doch nicht alle Abweichungen sind Risiken; positive Abweichungen sind vielmehr Möglichkeiten.

  • Nur wer „Abweichung“ und „Risiko“ klar voneinander trennt, kann interessante Investmentmöglichkeiten rechtzeitig erkennen.

  • Hierbei können ESG-Kriterien eine anwendbare Orientierungshilfe sein.

 

Barthold Kuipers, bAV-Experte der europäischen Pensionsaufsicht EIOPA

 

Kuipers Vortrag „Das Management von ESG-Risiken – die Europäische Perspektive“ behandelt EU-rechtliche Grundlagen wie die Institutions for Occupational Retirement Provision Directive (IORP II) von 2016 und die überarbeitete Sharholder Rights Directive von 2017 (SRD II). Explizit führt er aus:

  • ESG-Risiken hat es in den Investment-Portfolios von Altersversorgungseinrichtungen schon immer gegeben, aber nun werden sie klar herausgearbeitet.

  • ESG-Risiken sollten im Zusammenhang des gesamten Risikomanagements einen angemessenen Stellenwert („proper place“) erhalten.

  • Die im Juli 2019 veröffentlichte Stellungnahme der EIOPA zur Überwachung des Managements von ESG-Risiken ist ein Leitfaden aber (noch) keine Norm.

  • Methoden, um ESG-Risiken zu erkennen und zu benennen, befinden sich derzeit im Zustand der Entwicklung und Verbesserung.

  • In den kommenden zwei Jahren wird EIOPA die Situation genau beobachten.

 

Lionel Brun, Secrétaire du conseil d’administration de l’ERAFP (Etablissement de retraite additionnelle de la Fonction Publique, öffentlich-rechtlich Anstalt zur Verwaltung des staatlichen Pflicht-Versorgungssystems in Frankreich)

 

Lionel Brun, ERAFP. Foto: AKA.

Mit „Die Antwort der ERAFP auf die Anforderungen des ESG-Reportings“ präsentiert Brun einen Ansatz, wie Investment-Entscheidungen anhand wertorientierter Prinzipien getroffen werden können:

  • Die ERAFP ist eine Einrichtung mit einer sozialpartnerschaftlichen Prägung, die für das öffentliche Interesse arbeitet.

  • Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sie ihre Investment-Politik an den Prinzipien eines Socially Responsible Investments (SRI = gesellschaftlich verantwortliche Kapitalanlage) orientiert.

  • Dies geschieht anhand klarer Ausschlusskriterien, z. B.: keine Investitionen in Ländern mit Todesstrafe oder keine Investitionen in intrasparente Unternehmen.

  • Anhand dieser Prinzipien engagiert sich die ERAFP u.a. als aktiver Anteilseigner.

  • Eine negative Auswirkung dieses werteorientierten Ansatzes auf die erzielten Renditen ist derzeit nicht erkennbar.

 

Wolfram, Gerdes, Vorstand der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Rheinland-Westfalen (KZVK)

 

Gerdes‘ Präsentation beleuchtet „ESG aus der Perspektive einer kirchlichen Organisation“:

  • Als kirchliche Institution sollte die KZVK einen Einklang zwischen ihrer Tätigkeit und den ethischen Vorgaben aus der evangelisch-christlichen Morallehre herstellen.

  • Als Mitglied des „Arbeitskreises kirchlicher Investoren“ ist sie für den Inhalt des „EKD-Leitfadens“ mitverantwortlich, an dem sich die eigene Anlagepolitik im Sinne einer nachhaltigen Kapitalanlage orientiert.

  • Nachhaltiges Investieren ist kein Hype, sondern ein „Management Style“ mit eigenem Stellenwert, der sich auf Dauer etablieren wird.

  • ESG-Kriterien treten damit an die Seite der klassischen finanzwirtschaftlichen Parameter Sicherheit, Rendite und Liquidität. Sie sollten mit diesen auf einer Ebene stehen – und nicht unter- ober übergeordnet werden.

  • Nachhaltiges Investieren ist möglich, ohne andere Zielsetzungen wie Ertrag und Risikoneigung zu kompromittieren. Es gibt weltweit genügend Investmentmöglichkeiten, um sowohl nachhaltig als auch im klassischen Sinne finanziell erfolgreich zu operieren, auch wenn – wie bei der KZVK – a priori eine Reihe von Investitionen (z. B. Alkohol und Tabak) ausgeschlossen sind.

 

V.l.n.r.: Wolfram Gerdes (KZVK), Nicole Becker (BVK), Hagen Hügelschäffer (AKA), Prof. Andreas Hoepner (University College Dublin), Barthold Kuipers (EIOPA) und Lionel Brun (ERAFP). Foto: AKA.

 

Nicole Becker, Referentin für Vorstandangelegenheiten und Nachhaltigkeit im Ressort Kapitalanlagen der Bayerischen Versorgungskammer

 

Beckers Vortrag „Nachhaltiges Investieren – vom Reißbrett zum Implementierung“ erläutert, wie die BVK in ihrer Investmentpolitik ESG-Kriterien konkret umsetzt.

  • Die BVK hat als erster Altersversorger in Deutschland im Jahr 2011 die UN Prinzipien für verantwortungsvolles Investment (PRI) unterzeichnet. Diese Prinzipien wurden aktiv in die Implementierung der ESG-Kriterien im Ressort Kapitalanlagen einbezogen.

  • Die BVK verfolgt in der Kapitalanlage den Ansatz des sog. Engagements, der kontinuierlich innerhalb der einzelnen Asset-Klassen umgesetzt wird.

  • Für seine Nachhaltigkeitsstrategie wurde die BVK bereits ausgezeichnet: mit dem Portfolio Institutional Award im Mai 2019 und dem „institutional asset Award“ (FAZ Verlag) im September 2019.

 

Georg Thurnes, Vorstandsvorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V.

 

Georg Thurnes, Aon.

In seinem Vortrag „Gerechtigkeit zwischen den Generationen – Konzepte und Projekte” stellt Thurnes zunächst die Grundfrage, was Generationengerechtigkeit in der Altersversorgung überhaupt sein kann. Seine Antworten regen zum Nachdenken an:

  • Die Abgrenzung einzelner „Generationen“ ist in unserem Altersversorgungssystem nur sehr eingeschränkt möglich.

  • Gerechtigkeit ist letztlich ein Wert den jedes Individuum auf sich bezieht. Für die Altersversorgung bedeutet dies: Jeder Einzelne sollte unter gleichen äußeren Bedingungen („environment“) die Möglichkeit haben, für vergleichbare Beiträge vergleichbare Leistungen zu erhalten.

  • In einem kapitalgedeckten System ist dies schwer umsetzbar, weil oftmals statische Leistungsversprechen (garantierter Zins, garantierte Rente) auf volatile Märkte treffen, an denen die notwendigen Renditen erzielt werden sollen. Letztlich hat derjenige, der im Jahr 2019 eine Lebensversicherung mit 4% Garantiezins (abgeschlossen 1999) besitzt, nur Glück gehabt.

  • Ein flexibler Ansatz sowohl auf der Beitrags- als auch auf der Leistungsseite wäre ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit. Erhöhungen und Kürzungen würden gleichermaßen Beitragszahler und Leistungsempfänger treffen. Da erfahrungsgemäß ohne statische Begrenzungen höhere Renditen erzielt werden können, wären Leistungskürzungen auch leichter tragbar, da sie bei einem höheren Niveau ansetzen würden.

 

Klaas Bergström, Präsident der Schwedischen Sektion der CEEP (Europäischer Verband der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen)

 

Bergström stellt die „Die Perspektive der Arbeitgeber“ auf Basis seiner Erfahrung im schwedischen öffentlichen Sektor dar:

  • Das schwedische Altersvorsorge-System basiert auf drei Säulen, der staatlichen Rente, der Betriebsrente und der freiwilligen privaten Vorsorge.

  • Für die staatliche Rente muss der Arbeitnehmer 19% seines Einkommens aufbringen. 16,5 Prozentpunkte fließen in die Umlagefinanzierung, 2,5 Prozentpunkte werden für eine kapitalgedeckte Komponente der Rente angelegt.

  • Die kapitalgedeckte Komponente wird staatlich verwaltet und kollektiv gemanagt.

  • Das schwedische System ist flexibel (z.B. in Bezug auf das Renteneintrittsalter) und sichert ein hohes Maß an Generationengerechtigkeit.

 

Josef Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Arbeiterkammer Wien

 

Wöss tritt als Widerpart zu seinem Vorredner auf und vertrat „Die Perspektive der Arbeitnehmer“:

  • Das Problem des demographischen Wandels wird sehr durch das Verhältnis zwischen den Menschen im erwerbsfähigen Alter und denen im Rentenalter dargestellt. Dieses Verhältnis wird sich in den nächsten 30 Jahren von 1:4 auf 1:2 erhöhen.

  • Diese Verhältniszahl ist jedoch kaum aussagekräftig, wenn man nicht berücksichtigt, wie viele Menschen in allen Altersgruppen tatsächlich in Arbeit sind und wie viele von Transferleistungen (Rente, Arbeitslosengeld, Grundsicherung) leben.

  • Berücksichtigt man den Arbeitsmarkt, ergibt sich eine „economic dependency ratio“. Und diese wird – bei Fortschreibung der jetzigen Beschäftigungsparameter – nur von 65 auf 79% steigen. Das Problem des demographischen Wandels ist demnach bei weitem nicht so scharf, wie es oft fälschlicherweise dargestellt wird. Es gibt einen weiten politischen Handlungsspielraum.

  • Die Hauptmaßnahme, mit der man ein Altersvorsorgesystem tragfähig und gerecht gestalten kann, ist demnach die Förderung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung über die Geschlechter und alle Altersgruppen hinweg.

 

Boris Majcen, Institute for Economic Research – Ljubljana, Slovenia

 

Majcen zeigt „Faktoren, welche die Nachhaltigkeit von Renten beeinflussen“, auf:

  • In einem Forschungsprojekt hat die Universität Lubljana untersucht, wie sich differenziert nach Geburtsjahrgängen die Altersversorgungssituation der einzelnen Alterskohorten entwickelt hat.

  • Als wichtigster Indikator hat sich dabei das Verhältnis zwischen dem Lebenseinkommen aus Arbeit („lifetime labour income“) und dem lebenslänglichen Konsumaufwand („lifetime consumption“) herausgestellt.

  • Dieses Verhältnis hat sich in Slowenenien von 1900 bis zum Jahr 2012 von 1,0 auf 1,4 verändert.

  • Diese Entwicklung weist auf eine deutliche Schräglage des Systems hin. Wenn eine Person in ihrem Leben mehr konsumiert als sie verdient, muss die Differenz aus Transferleistungen oder Vermögenswerten bestritten werden.

 

V.l.n.r.:

  • Reinhard Graf (BVK Vorstandsmitglied)

  • Aitor Emaldi Generalsekretär von EAPSPI

  • Johannes Ziegelbecker, Mitglied des Vorstandes der Bundespensionskasse (Österreich) / Mitglied des EAPSPI Verwaltungsrates (Board of Directors)

  • Amaia Aldasoro, Vice President von Elkarkidetza (Baskenland – Spanien) / Mitglied des EAPSPI Verwaltungsrates (Board of Directors)

  • Allan Paldanius, Director of Finance MSc (Mathematics) (Keva, Finnland) / Mitglied des EAPSPI Verwaltungsrates (Board of Directors)

  • Claudia Wegner-Wahnschaffe, Leiterin für internationale Angelegenheiten VBL (Germany), Mitglied des EAPSPI Verwaltungsrates (Board of Directors)

  • Johan Janssens, General Administrator, SdPSP (Belgium) / Vorsitzender EAPSPI Verwaltungsrat (Board of Directors)

  • Costa Vasco, Director of CGA – Caixa Geral de Aposentacoes, Lisboa / Portugal

  • Hagen Hügelschäffer, Geschäftsführer AKA

  • Klaus Stürmer, Hauptgeschäftsführer AKA

  • Philippe Soubirous, Vice-Président de Préfon – Caisse Nationale de Prévoyance de la Fonction Publique, Paris / Mitglied des EAPSPI V

Foto: AKA.

 

Über EAPSPI

 

EAPSPI besteht aus 24 Versorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes aus 15 europäischen Ländern. Hinter diesen Mitgliedseinrichtungen stehen fast 33 Millionen Beschäftigte und Versorgungsempfänger des öffentlichen Dienstes. Alle Mitglieder und Beobachter von EAPSPI vereint der Bezug zum öffentlichen Dienst in den jeweiligen europäischen Ländern, da sie die Altersversorgung für Beamte oder die Zusatzversorgung für Angestellte des öffentlichen Dienstes sicherstellen.

 

Die Autoren: Kerstin Ippisch ist Leiterin der Referatsleitung Marketing und Kommunikation bei der BVK. Roland Ried ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der BVK.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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