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Evonik auf dem Lurse Round Table „Frauen in der bAV“:

Damit zwischen Attraktivität, Garantien und Planbarkeit …

die Chemie stimmt: Das Essener Unternehmen hat vor einem Jahr einen neuen Versorgungsplan eingeführt, der auf einer wertpapiergebundenen Direktzusage basiert sowie den Beschäftigten viel Auswahl und dem Arbeitgeber langfristige Verlässlichkeit bietet. Susanna Adelhardt und Barbara Wefers nennen Einzelheiten.

Susanna Adelhardt, Evonik Industries.

Evonik hat Anfang 2023 für neu eintretende Beschäftigte einen neuen Versorgungsplan in der bAV eingeführt. Dieser Versorgungsplan 2023 (EVP 2023) gilt durchgängig bei allen Neueinstellungen, somit also auch für Azubis und Executives.

Bei dem Plan handelt es sich um eine wertpapiergebundene Direktzusage, die zusätzlich über ein CTA abgedeckt wird. Anlass für das neue bAV-Modell war die Schließung des aktuellen Pensionskassentarifs vor dem Hintergrund der langanhaltenden Niedrigzinsphase.

Gestaltungselemente des Versorgungsplans

Neue Beschäftigte des Unternehmens erhalten im Durchführungsweg Direktzusage eine beitragsorientierte Leistungszusage (boLZ). Die Leistungshöhe ergibt sich direkt aus den Beiträgen sowie aus dem Zeitwert des referenzierten Wertpapierportfolios. Auf diese Weise kann der Kapitalmarkt als dritter Beteiligter die Leistungshöhe für die Arbeitnehmer steigern, während der Arbeitgeber zugleich eine Mindestgarantie beisteuert.

Virtuelles Depot mit realem CTA

Die Zusage an die Beschäftigten besteht beim EVP 2023 für ein virtuelles Depot, nicht für ein reales Wertpapierdepot. Das vermeidet bei Umstrukturierungen im Konzern Umschichtungen im Depot und damit Transaktionskosten. Um die Effekte der Zusage auf die Bilanzen der Gesellschaften und des Konzerns zu minimieren, wurde diese mit einem CTA abgedeckt.

Obligatorisch mit Matching

Barbara Wefers, Evonik Industries.

Für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Teilnahme am Versorgungsplan obligatorisch. Sie können aber zwischen drei verschiedenen Beitragsmodellen wählen. Dabei honoriert Evonik über ein Matching-Modell ein höheres Arbeitnehmerengagement auch durch einen höheren Arbeitgeberbeitrag.

Nach fünf Jahren können die Beschäftigten ihr gewähltes Beitragsmodell ändern. Dies ermöglicht ihnen einerseits, die eigenen Beiträge an die jeweilige Lebensphase anzupassen. Andererseits motiviert diese Möglichkeit auch dazu, sich angesichts des relativ langen Festlegungszeitraums immer wieder intensiv mit der Zusage zu beschäftigen und u.a. die aktuell gewählte Beitrags-Variante im Blick zu behalten. Sprecherausschuss und Betriebsrat hatten daher bewusst für diesen Fünfjahres-Zeitraum votiert.

Maßgebliche Vereinbarung für den EVP 2023 ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV)/Gesamtsprecherausschussvereinbarung (GSprAV). Sie beschreibt das Beitragsmodell, regelt die Gestaltung der Altersleistung und fixiert in einer Anlage das Kapitalanlagekonzept für die Altersleistung.

Vorzeitige Leistungen via externer Versicherung

Daneben existiert eine weitere GBV/GSprAV, um vorzeitige Leistungen (bei Invalidität und Tod) abzusichern – der Evonik Risikoplan (ERP). Eine Vereinbarung über den ERP wird immer nur für ein Kalenderjahr abgeschlossen. Gibt es in einem laufenden Jahr eine gültige ERP-Regelung, dann fließt aus dem EVP 2023 ein fester Teil des Arbeitgeberbeitrags als „Risikobeitrag“ in den ERP. Der restliche Arbeitgeberbeitrag bildet dann mit dem Arbeitnehmerbeitrag den „Sparbeitrag“ für den EVP 2023. Wird kein ERP abgeschlossen, fließt der komplette Arbeitgeberbeitrag als Sparbeitrag in den EVP 2023.

Soweit eine Vereinbarung über den ERP besteht, wird der Risikobeitrag an eine externe Versicherung abgeführt, mit der ein einjähriger kollektiver Versicherungsvertrag abgeschlossen wurde. Aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Evonik erhalten dabei ohne eine Gesundheitsprüfung eine attraktive Absicherung vorzeitiger Leistungen bei Invalidität und Tod.

Bei einem Ausscheiden aus dem Konzern fallen die Beschäftigten aus dem versicherten Kollektiv. Somit bleiben dann auch keine unverfallbaren Anwartschaften auf Risikoleistungen aufrechterhalten. Der Beitragssatz für vorzeitige Leistungen indes ist fix. Die Höhe dieser vorzeitigen Leistungen kann dabei unterschiedlich hoch ausfallen, denn sie hängt von den Leistungen des jeweiligen Versicherungsvertrags ab. Damit besteht für die Mitarbeiter von Anfang an in vollem Umfang eine entsprechende Risikoabsicherung. Für den Arbeitgeber ist die Beitragshöhe zudem auf lange Sicht sehr gut planbar.

Schon der Name macht es klar: Der in den EVP 2023 fließende Sparbeitrag dient dazu, für die Altersleistung anzusparen. Bei Regelaltersrente werden 80% der Sparbeiträge garantiert, so dass die Mitarbeiterbeiträge nominal immer vollständig gesichert sind. Zusätzlich ermöglicht der EVP 2023 die Einbringung von Beiträgen aus freiwilliger tariflicher Entgeltumwandlung und nennt sich insoweit EVP 2023 TOP.

Kapitalanlage kollektiv gesteuert

Die Kapitalanlage des modernen Leistungsplans erfolgt über zwei Publikumsfonds mit einer altersabhängigen Mischung von Aktienanteilen in einem Life Cycle-Modell. Ein Fonds ist mit einem maximalen Aktienanteil von 75% chancenorientierter aufgestellt als der zweite Fonds mit einem maximal 15-prozentigen Aktienanteil. Da keine individuellen Wertpapierdepots geführt werden, kann die Kapitalanlage auf den kollektiven Life Cycle gesteuert werden.

Ab Leistungsbeginn bleibt die Kapitalanlage während der gesamten optionalen Rentenbezugszeit mit einer 50:50 Mischung aus beiden Fonds bestehen. Ein Geldmarktfonds kommt in speziellen Fällen zum Einsatz.

Auszahlformen der Altersleistung

Bei Evonik hat eine Rentenleistung in der bAV lange Tradition und wird von den Beschäftigten auch im Vergleich zu Kapitaloptionen bevorzugt. Daher war es Evonik wichtig, auch im EVP 2023 eine Rentenleistung anzubieten.

Nur wenn das angesparte Kapital bei Leistungsbeginn unterhalb der Bezugsgröße (2023: knapp 40.000 EUR) nach §18 SGB IV liegt, kommt es aus Effizienzgründen als Einmalkapital zur Auszahlung. Oberhalb dieser Grenze haben die Beschäftigten dagegen die Wahl zwischen der Auszahlung als Einmalkapital, einer Verrentung mit oder ohne Hinterbliebenenleistung oder einer Mischform aus Einmalkapital (1/3) und Verrentung (2/3).

Die Wahl der Auszahlform kann jederzeit erfolgen und auch gewechselt werden, im Leistungsfall wird die retrospektive Festlegung drei Jahre vor Eintritt der Altersleistung als die geltende herangezogen. Verzichtet der Mitarbeiter auf die Entscheidung, erfolgt die Auszahlung standardmäßig als Einmalkapital.

Berechnung der Rentenhöhe

Es geht grundsätzlich darum, einerseits für Evonik das finanzielle Risiko aus der Rentenleistung beherrschbar zu machen, andererseits für die Planteilnehmer auch eine attraktive jährliche Leistungshöhe schon ab Rentenbeginn zu ermöglichen. Das Unternehmen hat deshalb ein moderndes Konzept für die Bezugsphase entwickelt:

Das angesparte Kapital wird bei Leistungsbeginn zweimal umgerechnet. Zum einen wird eine Garantierente mit vorsichtigen Bewertungsprämissen (niedriger Zins und vorsichtige Schätzungen über die Lebenserwartung) errechnet, zum anderen eine Best Estimate-Rentenhöhe mit einem fixierten Zins.

Die Garantierente wird monatlich laufend ausgezahlt und jährlich mit einem Prozent dynamisiert. Die Best Estimate-Rente hingegen wird nicht tatsächlich ausgezahlt, sondern ist der Verteilungsmaßstab für einen jährlichen Kapitalmarktbonus. Ein fixer Rechnungszins fungiert hier als Gewichtungsmaßstab zwischen den zeitlichen nahen und den weiter in der Zukunft erwarteten Zahlungen. Dieser Rechnungszins ist nicht als eine marktnahe Renditeannahme zu verstehen.

 

 

Rentner profitieren von höheren Zahlungen schon zu Beginn der Rentenphase.“

 

 

Aus dem Abgleich der Summe aller Barwerte der laufenden Best Estimate-Renten mit dem vorhandenen Kapital des Rentnerkollektivs erhält jeder Rentner einmal im Jahr eine Beteiligung an den Erträgen des Kapitalmarktes. Dieser Kapitalmarktbonus ist nicht garantiert, sondern richtet sich nach dem aktuellen Wert des Kapitalstocks und wird sich von Jahr zu Jahr ändern.

 

 

Auf separate Puffer zur Glättung wurde bewusst verzichtet.“

 

 

Rentner profitieren so von höheren Zahlungen schon zu Beginn der Rentenphase, müssen dafür aber auch über das aktive Erwerbsleben hinaus die jährliche Schwankung einer Bonuszahlung akzeptieren. Auf die Einführung von separaten Puffern zur Glättung der jährlichen Zahlungshöhen hatten Betriebsrat, Sprecherausschuss und Evonik bewusst verzichtet, da sich die Finanzierung der Puffer renditemindernd auf den Konten der Beschäftigten auswirkt.

Im Kern bedeutet all das: Der EVP 2023 berücksichtigt das zeitgemäße Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Rendite. Die angepassten Garantien mit den damit verbundenen größeren Investitionschancen am Kapitalmarkt (höhere Aktienquoten) machen den modernen Versorgungsplan mit seinen verschiedenen, individuellen Wahloptionen attraktiv für die Beschäftigten.

Der neue Versorgungsplan macht durch eine chancenreiche Kapitalanlage höhere Rentenzahlungen als bei dem bisherigen Evonik bAV-Modell möglich. Regulierung und 100prozentige Garantien kosten schlicht und einfach Rendite.

Zusätzliche Attraktivität gewinnt der EVP 2023 durch die Administration über ein externes digitales Versorgungsportal.

Das Fazit von Evonik ist positiv: Der EVP 2023 erfüllt interne Anforderungen an den neuen Pensionsplan vollständig und festigt die Position des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber.

Susanna Adelhardt ist Leiterin Benefits der Evonik Industries AG (tritt jedoch zum 1. März in den Vorstand der Heubeck AG in Köln ein).

Barbara Wefers ist Leiterin Altersversorgung der Evonik Industries AG.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag Adelhardts gehalten auf dem Lurse Round Table „Frauen in der bAV“ am 4. Dezember 2023.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

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