Regelmäßig freitags bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Doch hier ausnahmsweise am Dienstag. Heute: 7,5 Millionen Tote allein in Deutschland? Nein, das ist keine Kassandrische Panikmache, sondern ein älteres Szenario der Bundesregierung höchstselbst, das frappierende Ähnlichkeit zur Gegenwart aufweist (und zur Zukunft hoffentlich nicht). Die Sache ist parlamentsamtlich. Doch lesen Sie selbst … und bleiben Sie übrig.
Deutscher Bundestag (3. Januar 2013): „Drucksache 17/12051, 17. Wahlperiode, Unterrichtung durch die Bundesregierung – Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012.“
Sage keiner, die Bundesregierung habe nicht wissen können, was auf sie und uns alle zukommt. Höchstselbst hat sie 2012 den Bundestag u.a. über ein hypothetisches Corona-Szenario informiert. Vieles, was dort steht, löst Stand heute ein Déjà-vu aus, gewährt einen gewissen Blick in die Zukunft – und macht nicht gerade Hoffnung. LEITERbAV dokumentiert nur einige, teils geraffte Auszüge:
Einleitend fasst die Bundesregierung das Szenario kurz zusammen:
„Das Szenario beschreibt ein außergewöhnliches Seuchengeschehen, das auf der Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert. Hierfür wurde der zwar hypothetische, jedoch mit realistischen Eigenschaften versehene Erreger ‚Modi-SARS‘ zugrunde gelegt.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Erreger mit neuartigen Eigenschaften, die ein schwerwiegendes Seuchenereignis auslösen, plötzlich auftreten können (z.B. SARS-Coronavirus (CoV).
Das Szenario beschreibt eine von Asien ausgehende, weltweite Verbreitung eines hypothetischen neuen Virus, welches den Namen Modi-SARS-Virus erhält.
Zum Höhepunkt der ersten Erkrankungswelle nach ca. 300 Tagen sind ca. 6 Millionen Menschen in Deutschland an Modi-SARS erkrankt. Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können.“
Es folgen Aussagen der Bundesregierung zu realen Hintergründen, die teilweise Schauern lassen. Wer heute sagt, dass Corona auch aus dem im chinesischen Wuhan ansässigen Biolabor entwichen sein könnte, muss sich Verschwörungstheoretiker zeihen lassen. Dabei sind ebensolche Vorgänge offenbar bereits regierungsamtlich, denn 2012 schrieb die Bundesregierung:
„In Ausnahmefällen kann Seuchengeschehen auch auf akzidentelle oder intentionale Freisetzung zurückgehen, z.B. akzidentelle Freisetzung bspw. [sic] durch einen Laborunfall (wie bei einzelnen Fällen nach der SARS-Pandemie oder die H1N1-Influenza 1977, die sog. ‚Russische Grippe‘, die vermutlich Folge einer Laborfreisetzung war).
Ebenso real laut Bundesregierung:
Ein aktuelles Beispiel [im Jahr 2012, Anm. d. Red] für einen neu auftretenden Erreger ist ein Coronavirus (‚novel Coronavirus‘), welches nicht eng mit SARS-CoV verwandt ist.“
Dann widmet sich die Bundesregierung wieder ihrem hypothetischen Krisen-Szenario, weitere Auszüge:
„Das hypothetische Modi-SARS-Virus ist mit dem natürlichen SARS-CoV in fast allen Eigenschaften identisch. Die Inkubationszeit … beträgt meist drei bis fünf Tage, kann sich aber in einem Zeitraum von zwei bis 14 Tagen bewegen. Fast alle Infizierten erkranken.Symptome sind Fieber und trockener Husten, die Mehrzahl der Patienten hat Atemnot.
Das Ereignis beginnt im Februar in Asien, wird dort erst einige Wochen später in seiner Dimension/Bedeutung erkannt.
Der Erreger stammt aus Südostasien, wo der bei Wildtieren vorkommende Erreger über Märkte auf den Menschen übertragen wurde.
Das Ereignis tritt global auf (hauptsächlich Asien, Nordamerika, Europa).
Zwei der ersten Fälle, die nach Deutschland eingeschleppt werden, betreffen Personen, die sich im selben südostasiatischen Land angesteckt haben.
In der Initialphase werden insgesamt zehn Fälle nach Deutschland eingetragen. Hierbei sind zwei Fälle von besonderer Bedeutung, da sie Schlüsselpositionen für die Verbreitung einnehmen Die anderen betreffen Reisende, die zur Verbreitung beitragen. Diese erfolgt flächendeckend über Deutschland, analog zur Bevölkerungsdichte.
Die Letalität ist mit 10% der Erkrankten hoch, jedoch in verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich. Kinder und Jugendliche haben idR leichtere Verläufe mit Letalität von rund 1%, während diese bei über 65-Jährigen bei 50% liegt. Die Dauer der Erkrankung unterscheidet sich ebenfalls in Abhängigkeit vom Alter; jüngere Patienten haben die Infektion oft schon nach einer Woche überwunden, während schwerer erkrankte, ältere Patienten rund drei Wochen im Krankenhaus versorgt werden müssen, auch Behandlungsbedarf von bis zu 60 Tagen wurde für das SARS-CoV beschrieben.
Zusätzlich erhöht sich die Sterblichkeit sowohl von an Modi-SARS Erkrankten als auch anders Erkrankter sowie von Pflegebedürftigen, da sie aufgrund der Überlastung des medizinischen und des Pflegebereiches keine adäquate medizinische Versorgung bzw. Pflege mehr erhalten können.
Die Übertragung erfolgt hauptsächlich über Tröpfcheninfektion, da das Virus aber auf unbelebten Oberflächen einige Tage infektiös bleiben kann, ist auch Schmierinfektion möglich.
Zur Behandlung stehen keine Medikamente zur Verfügung, so dass nur symptomatisch behandelt werden kann. Ein Impfstoff steht ebenfalls für die ersten drei Jahre nicht zur Verfügung.
Es ist so lange mit Neuerkrankungen zu rechnen, bis ein Impfstoff verfügbar ist. Für das Szenario wird ein Gesamtzeitraum von drei Jahren zugrunde gelegt mit der Annahme, dass nach dieser Zeit ein Impfstoff entwickelt, freigegeben und in ausreichender Menge verfügbar ist. Der Erreger verändert sich im Verlauf durch Mutationen so, dass auch Personen, die eine Infektion bereits durchlebt haben, wieder anfällig werden. Hierdurch kommt es insgesamt zu drei Erkrankungswellen unterschiedlicher Intensität.
Grundsätzlich ist vor allem in Ballungsräumen aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der Bewegungsmuster (hohe Mobilität, Nutzung von Massenverkehrsmitteln usw.) mit höheren Erkrankungszahlen zu rechnen.
Es wird angenommen, dass jeder Infizierte im Schnitt drei Personen infiziert und es drei Tage dauert, bis es zur nächsten Übertragung kommt. ‚Super Spreader‘ werden hierbei nicht berücksichtigt.
Die Menge der Infizierbaren verkleinert sich, weil Erkrankte versterben oder vorläufige Immunität entwickeln. Die Ausbreitung wird auch durch antiepidemische Maßnahmen verlangsamt und begrenzt. Solche sind etwa Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten oder andere Absonderungsmaßnahmen wie die Behandlung von hochinfektiösen Patienten in Isolierstationen unter Beachtung besonderer Infektionsschutzmaßnahmen. Mittel zur Eindämmung sind bspw. Schulschließungen und Absagen von Großveranstaltungen. Neben diesen Maßnahmen, die nach dem Infektionsschutzgesetz angeordnet werden können, gibt es weitere Empfehlungen, die zum persönlichen Schutz, z.B. bei beruflich exponierten Personen, beitragen wie die Einhaltung von Hygieneempfehlungen. Die antiepidemischen Maßnahmen beginnen, nachdem zehn Patienten in Deutschland an der Infektion verstorben sind. Die Anordnung geschieht in den Regionen zuerst, in denen sich Fälle ereignen; die Bevölkerung setzt die Maßnahmen je nach subjektivem Empfinden unterschiedlich um.
Über den Zeitraum der ersten Welle (Tag 1 bis 411) erkranken insgesamt 29 Millionen, im Verlauf der zweiten Welle (Tag 412 bis 692) insgesamt 23 Millionen und während der dritten Welle (Tag 693 bis 1052) insgesamt 26 Millionen Menschen in Deutschland.
Die enorme Anzahl Infizierter, deren Erkrankung so schwerwiegend ist, dass sie hospitalisiert sein sollten bzw. im Krankenhaus intensivmedizinische Betreuung benötigen würden, übersteigt die Kapazitäten um ein Vielfaches. Dies erfordert umfassende Sichtung (Triage) und Entscheidungen, wer noch in eine Klinik aufgenommen werden und dort behandelt werden kann und bei wem dies nicht mehr möglich ist. Als Konsequenz werden viele der Personen, die nicht behandelt werden können, versterben.
Der überwiegende Teil der Erkrankten kann nicht adäquat versorgt werden, so dass die Versorgung der meisten Betroffenen zu Hause erfolgen muss. Notlazarette werden eingerichtet.
Das hier vorgestellte Szenario geht davon aus, dass schon früh antiepidemische Maßnahmen eingeleitet werden, die dazu führen, dass jeder Infizierte im Durchschnitt nicht drei, sondern 1,6 Personen infiziert.
Zu den behördlichen Maßnahmen im Gesundheitswesen zählen Absonderung, Isolierung und Quarantäne.
Es gilt, infektionsverdächtige Kontaktpersonen zu identifizieren und zu finden, mit ihnen (teils schwierige) Gespräche zu führen.
Das IfSG erlaubt dazu unter anderem Einschränkungen von Grundrechten (§ 16 IfSG), wie z.B. das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 GG). Im Rahmen von notwendigen Schutzmaßnahmen können zudem das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 GG) und die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 GG) eingeschränkt werden (§ 16 Absatz 5 bis 8 und § 28 IfSG).
Diese Aufgaben stellen die zuständigen Behörden vor große bzw. mitunter nicht mehr zu bewältigende Herausforderungen.
Lieferservice der Apotheken bricht zusammen.
Die Produktion von Lebensmitteln ist nicht in gewohnter Menge und Vielfalt möglich.
Ausfälle an einzelnen Punkten innerhalb der Lieferketten multiplizieren sich aufgrund der komplexen Interdependenzen. Personalausfälle führen hier deshalb mitunter zu erheblichen Einschränkungen bzw. zu Unterbrechungen von Lieferketten. Dies hat entsprechende Auswirkungen auf Produktionsprozesse und andere Infrastruktursektoren.
Es kommt zu erheblichen Problemen im Bereich der Entsorgung (z.B. Müllabfuhr).
Aufgrund der hohen Sterberate stellt auch die Beisetzung der Verstorbenen eine große Herausforderung dar (Massenanfall an Leichen).
Die Bestände an Arzneimitteln zur Behandlung der Symptome reichen zunächst aus, Ersatzbeschaffungen werden zeitnah geordert, jedoch stößt die internationale Pharmaindustrie an die Grenzen der Produktionskapazität.
Würde man davon ausgehen, dass keinerlei Gegenmaßnahmen eingesetzt werden und jeder Infizierte drei weitere Personen infiziert (bis der Impfstoff zur Verfügung steht), so hätte man mit einem noch drastischeren Verlauf zu rechnen. Zum einen wäre die absolute Anzahl der Betroffenen höher, zum anderen der Verlauf auch wesentlich schneller. Während im vorgestellten Modell der Scheitelpunkt der ersten Welle nach rund 300 Tagen erreicht ist, wäre dies ohne antiepidemische Maßnahmen schon nach rund 170 Tagen der Fall. Dieser Zeitgewinn kann sehr effizient genutzt werden, um z.B. persönliche Schutzausrüstung herzustellen, zu verteilen und über ihre korrekte Anwendung zu informieren.
Es ist von einer vielstimmigen Bewertung des Ereignisses auszugehen, die nicht widerspruchsfrei ist. Es ist anzunehmen, dass die Krisenkommunikation nicht durchgängig angemessen gut gelingt. So können bspw. widersprüchliche Aussagen von verschiedenen Behörden/Autoritäten die Vertrauensbildung und Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen erschweren.“
Außerdem je nach Sichtweise noch eine gute und eine weniger gute Perspektive:
„Banken, Börsen, Versicherungen, Finanzdienstleister: Arbeitsfähigkeit ist gegeben.
Regierung und Verwaltung: Personalengpässe in Regierung und Verwaltung können durch Anpassungen abgefangen werden. Parlament: Bundestag und Länderparlamente können ihre Arbeit weiterführen.“
Und wie ist nun das Ergebnis? Genau so, wie es in der Headline steht:
„Für den gesamten zugrunde gelegten Zeitraum von drei Jahren ist mit mindestens 7,5 Millionen Toten als direkte Folge der Infektion zu rechnen.“
So, genug des Dooms der Bundesregierung. Kassandra hat immer eine Lösung. Man blicke auf Süd-Korea, nach Meinung Kasssandras von allen schwer betroffenen Staaten infolge seiner Massentests derjenige mit der verlässlichsten und damit aussagekräftigsten Zahlenbasis.
Und mit Blick auf das südostasiatische Land KÖNNTE das hier Hoffnung machen:
Worldometer: South Korea Coronavirus Cases.
Man beachte besonders das Balkendiagramm „Daily New Cases in South Korea“ der tageweisen Neuinfektionen. Demnach sind diese in Süd-Korea um 90 Prozent rückläufig. Ganz kleine, unschuldige Hoffnung Kassandras: Vielleicht verschwindet das Virus – ohne eine Erklärung abzugeben – genauso schnell, wie es gekommen ist?
Allerdings zwei einschränkende Aspekte. Zum Ersten: Letalität in Süd-Korea (bei vermutlich inf. Massentest geringer Dunkelziffer) nun leider nicht mehr „nur“ bei 0,6, sondern bei fast einem Prozent. Das ist viel, entspräche es doch bei völliger Durchseuchung Deutschlands auch 800.000 Toten!
Zum Zweiten: Süd-Korea hat schon vor viel längerer Zeit Maßnahmen der Eindämmung ergriffen. Es steht also zu befürchten, dass Deutschland noch einige Tage eine weiter dynamische Entwicklung der Fallzahlen sehen wird. Der wirklich üble italienische Ablauf (wo die Letalität ja in der Tat hart an den schlimmen zehn Prozent aus dem Szenario liegt, allerdings wegen der vermutlich hohen Dunkelziffer an Fällen real hoffentlich viel niedriger ist) dürfte das sein, mit dem das „verspätete Deutschland“ zu rechnen hat.
Und die Bundesregierung? Die ist zwar offenbar gut im Szenarien entwerfen (s.o.), aber möglicherweise weniger im tatkräftigen Handeln. Die Maßnahmen, die man jetzt ergreift, hätte man ohne weiteres schon vor zwei Wochen ergreifen können – erst recht, weil man offenkundig NICHT von der Sache, zumindest nicht von ihrem Verlauf überrascht worden ist und selber sogar schon in einem nicht unähnlichen Szenario für einen milden Verlauf nicht weniger als 7,5 Mio. Tote veranschlagt hat.
Kaum zu fassen, erst recht angesichts der eigenen Szenarioanalyse: Flüge aus den „Corona-Hochburgen“ China und dem Iran einzustellen, steht offenbar erst seit gestern auf der Tagesordnung der Regierung. Wenn man sich vorstellt, wie also seit Wochen hier im großen Stil Passagiere hin- und hergeflogen wurden, muss man sich über nichts mehr wundern.
Und Kassandra? Hat währenddessen auf Ebay gestern einen Corona-Schutzschild ersteigert. Sicher ist sicher. Und sagte man bisher „Bleiben Sie gesund“, fühlt sich Kassandra angesichts der Szenarienanalyse unserer Regierung mittlerweile eher an eine gängige Abschiedsgrußformel aus der Endphase des Zweiten Weltkrieges erinnert. Diese lautete:
„Bleiben Sie übrig.“
In diesem Sinne
Ihre
Kassandra