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20 Jahre AKA:

Zusatzversorgung im Öffentlichen Dienst – auf 100 Jahre kalkuliert

Die AKA, Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung, hat im Dezember 2018 ihr 20-jähriges Bestehen in Berlin gefeiert und sich aus diesem Anlass mit der Altersversorgung aus einem ökonomischen und einem philosophischen Blickwinkel befasst. LEITERbAV-Autor Detlef Pohl war vor Ort.

 

12. Dezember 2018, Berlin, im Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft, gegenüber dem Reichstagsgebäude:

 

Geladen hat die AKA, die Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung, aus Anlass ihres 20jährigen Bestehens – und gekommen war, wer Rang und Namen hat im deutschen Zusatzversorgungswesen.

 

Die AKA vertritt 43 Versorgungseinrichtungen des kommunalen und kirchlichen Dienstes für Beamte und Arbeitnehmer. Als Deutschlands größte Fachorganisation im Bereich der kommunalen und kirchlichen Altersversorgung repräsentieren die Mitgliedskassen mehr als 50.000 Arbeitgeber sowie rund 9,4 Millionen Versicherte, Rentner, Beamte und Pensionäre. Rund 8,6 Milliarden Euro an Pensions- und Rentenleistungen werden jedes Jahr ausgezahlt. Die 22 Zusatzversorgungskassen (ZVK) in ganz Deutschland organisieren die Altersversorgung für über 7,8 Millionen Pflichtversicherte und beitragsfrei Versicherte des kommunalen und kirchlichen Dienstes sowie mehr als 1,6 Millionen Rentner.

 

Ihr 20-jähriges Bestehen feierte die AKA im Dezember vergangenen Jahres standesgemäß. Beim Festakt wurde das Thema Altersversorgung aus einem ökonomischen und einem philosophischen Blickwinkel betrachtet. Den Bogen zwischen diesen beiden Perspektiven will die AKA bewusst spannen.

 

Zusatzversorgung sichert ein Drittel des Alterseinkommens

 

Altersversorgung verlässlich finanziert“ und „Sicherheit in bewegten Zeiten“ waren zwei markante Stichworte des Abends. Dazu führte AKA-Vorsitzender Reinhard Graf gleich bei der Begrüßung ein: Die tarifvertraglich geregelte Betriebsrente im öffentlichen Dienst ist das größte Betriebsrentensystem Deutschlands. Im Durchschnitt decken die Altersrentner und Pensionäre damit ein Drittel ihres Alterseinkommens. Graf verwies auf die Besonderheit der Zusatzversorgung im kommunalen und kirchlichen öffentlichen Dienst, wo mit einem tarifvertraglich geregelten und an Kapitaldeckung orientierten Punktemodell die Berechnung des Umlagesatzes auf 100 Jahre Deckungsabschnitt kalkuliert werde.

Auch angesichts der Herausforderung der Kassen, die einen von den Tarifpartnern vorgegebenen relativ hohen Rechnungszins in ihren Finanzierungsmodellen umsetzen müssen, äußerte Graf – im Hauptberuf Vorstand der BVK Bayerische Versorgungskammer – kurz vor Weihnachten drei Wünsche:

Es möge in der Politik gelingen, die Vorteile starker Kollektive als Non-Profitbereich zu sichern.

Das bisherige System der Zusatzversorgung sollte so erhalten bleiben, trotz aller Einflussnahme durch EIOPA.

Das Tarifvertrags-Modell der Zusatzversorgung möge als Best-Practice-Beispiel für erfolgreiche betriebliche Altersversorgung dienen.

 

Anschließend sprachen zwei profilierte Denker ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin: Der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Professor für Makroökonomie und Finanzen der Humboldt-Universität zu Berlin, und der Philosoph Julian Nida-Rümelin vom Lehrstuhl Philosophie der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Reinhard Graf bei der Eröffnung der Veranstaltung…

Fratzscher erinnerte in seinem Vortrag „Vorsorge in Zeiten des demographischen Wandels“ an den Tucholsky-Spruch von 1931: „Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig.“

 

Ungleiche Vermögensverteilung fordert Sozialstaat bis an die Grenze

 

Deutsche Haushalte, so führte Fratzscher ein, besitzen im Schnitt 61.000 Euro Vermögen, doch 40 Prozent der Haushalte besitzen praktisch keine Rücklagen (0,2 Prozent des Nettovermögens). Gewünscht und gerecht wären etwa 25 Prozent. Diese hohe Ungleichheit zwischen Arm und Reich ist in Europa nur in Großbritannien noch eklatanter. Gründe sieht Fratzscher in schlechtem Sparen, geringen vermögensbezogenen Steuern, hoher Einkommensbesteuerung und einer immer stärker aufgehenden Schere zwischen hohen und niedrigen Arbeitseinkommen.

 

Die Art des Vermögens ist häufig ungerecht: 13 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsvermögens stecken im eigenen Unternehmen, ein Drittel wird geerbt (Westdeutschland). Als Puffer dient der Masse ein starker Sozialstaat, dessen Versprechen jedoch im Zuge der demographischen Entwicklung zunehmend erodieren würden.

…Marcel Fratzscher bei seinem Vortrag…

Die drei Säulen der Alterssicherung mildern Vermögensungleichheit, so Fratzscher, weil alle was davon haben, verstärken letztlich aber auch die Ungleichheit der Höhe nach. Rentenanwartschaften schließen Vermögenslücken nur geringfügig. Nach neuesten DIW-Untersuchungen müssten 58 Prozent der Babyboomer bei Renteneintritt mit finanziellen Einschnitten rechnen. Daher gewinnen die zweite Säule (bAV) und die dritte Säule (beispielsweise Lebensversicherungen) an Gewicht.

 

Jedes Jahr mehr Lebenserwartung erfordert acht Monate mehr Lebensarbeit

 

Als Ausblick verwies Fratzscher darauf, dass eine weiter steigende Lebenserwartung Folgen für die Berufstätigkeit haben müsse. Jedes Jahr mehr Lebenserwartung verlange, dass man acht Monate länger arbeiten müsse, um das System der ersten Säule nicht zu gefährden. In der dritten Säule müsste die Diversifizierung der Anlagen stärker als bisher umgesetzt werden. „Nominalzinsen von fünf Prozent werden wir vielleicht nie wiedersehen“, so Fratzscher wörtlich. Die großen globalen Wirtschaftstrends werden die Lage nicht ändern, da die säkulare Stagnation anhält (geringe Produktivität, hohe Verschuldung, wenig Investitionen), Digitalisierung die Arbeit beschleunigt verändern und die Demographie vor allem auf Deutschland durchschlagen wird.

 

Podiumsdiskussion

 

Doch auch die Stakeholder der Zusatzversorgung kamen zu Wort. Teilnehmer einer Podiumsdiskussion waren (von links nach rechts):

Volker Geyer, stv. Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik von „dbb beamtenbund und tarifunion“.

Oliver Dilcher, Tarifsekretär (zuständig für Zusatzversorgung) bei der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Bernhard Langenbrinck, Hauptgeschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbands Nordrhein-Westfalen.

Clemens Stroppel, Generalvikar der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Jörg Kruttschnitt, Vorstandsmitglied des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung e.V..

 

Unisono betonen alle Podiumsteilnehmer, dass die Zusatzversorgung im kommunalen öffentlichen Dienst und im kirchlich-caritativen und kirchlich-diakonischen Bereich eine „gute Sache mit positiven Auswirkungen“ sei. Und dass damit Altersarmut vermieden werden könne.

 

Autonomie führt zum Erfolg

 

Bernhard Langenbrinck, Oliver Dilcher und Volker Geyer unterstrichen, dass die Zusatzversorgung auch deshalb so gut funktioniere, weil sie bisher von den Tarifvertragsparteien weitgehend autonom ohne allzu große Einmischung des Gesetzgebers geregelt wurde. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, dass dies auch in Zukunft so bleibe.

…die Podiumsdiskussion…

Langenbrinck betonte die Gemeinsamkeiten: „Bei allen Differenzen die es sonst geben mag, in der Zusatzversorgung haben die Tarifvertragsparteien bei allen Herausforderungen, die es gegeben hat, immer gemeinsam Lösungen gefunden, die beide Seiten mittragen konnten. Für uns als Arbeitgeber ist dabei insbesondere wichtig, dass das System der Zusatzversorgung für eine verlässliche Planbarkeit der Kosten sorgt.“

 

Wir können das viel besser als der nationale oder gar europäische Gesetzgeber“, sagte Dilcher: „Die Zusatzversorgung sorgt für eine auskömmliche Betriebsrente. Nach 30 bis 40 Jahren können das bis zu 500 Euro sein. Das ist genau das Instrument, das wir brauchen, um der Altersarmut vorzubeugen. Die Tarifvertragsparteien haben dieses System erfolgreich ausgestaltet und so soll das auch bleiben.“

 

Langenbrinck ergänzte, dass die zweite Säule der Altersversorgung mittlerweile neben der ersten eine große Bedeutung gewonnen habe. Zu prüfen sei, so der kommunale Arbeitgebervertreter, ob sie nicht weiter ausgebaut werden sollte, sofern das Leistungsniveau in der gesetzlichen Rente weiter absinken sollte.

 

Im Einklang mit der Katholischen Soziallehre

 

Als ein Instrument, das sehr gut den Prinzipien der Katholischen Soziallehre entspricht, sieht Christian Stroppel die Zusatzversorgung. Sie sorge dafür, dass die Arbeitgeber ihrer Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern gerecht werden können. „Besonders bei den niedrigen Lohngruppen ist die Zusatzversorgung sehr wichtig. Mit ihr fließen Lohnanteile über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus in eine zusätzliche Altersversorgung. Die gering verdienenden Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen müssen alles, was sie verdienen, ausgeben für die Dinge, die sie zum Leben brauchen. Der unverfügbare Zusatzversorgungsanteil sorgt dafür, dass sie dennoch fürs Alter etwas zusätzlich zur Verfügung haben“, so der Generalvikar weiter.

 

Die Frage der Finanzierung

 

ver.di-Vertreter Dilcher kam auf eine Gretchenfrage der Altersversorgung zu sprechen: „Die Wahl der Finanzierungsmodelle durch die Zusatzversorgungskassen ist grundsätzlich gut. Allerdings halte ich nicht so viel von der reinen Kapitalfinanzierung wie es die Kirchenkassen praktizieren. Die Umlagefinanzierung oder eine Mischfinanzierung aus Umlage und Kapitaldeckung halte ich für angemessen.“

 

Zusatzversorgung macht schön

 

Jörg Kruttschnitt verwies darauf, dass die Zusatzversorgung auch ein Argument sei, um die Attraktivität eines Arbeitgebers deutlich zu erhöhen. Beispielsweise im Pflegebereich dürfte diese Sonderleistung wegen des dort herrschenden Fachkräftemangels immer bedeutsamer werden. „Deshalb ist auch wichtig, für eine weitreichende Tarifbindung zu sorgen, damit möglichst viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern diese Vorteile bieten können,“ so der Vorstand des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung.

…unter den zahlreichen Gästen Kerstin Griese, Manfred Todtenhausen und Anke Plaettner (v.l.n.r.)…

Dass die rasante Digitalisierung der Arbeitswelt auch Herausforderungen im Bereich der bAV bringen werde, betonte Geyer: „Wir müssen stark darauf achten, wohin sich die Jobs verlagern und wie neu entstehenden Arbeitsformen in die Zusatzversorgung integriert werden können.“ Außerdem müsse die Politik den Rahmen schaffen, damit die Personalgewinnung im öffentlichen Dienst auch künftig gewährleistet bleibt.


Unkommentierte Impressionen von der Veranstaltung. Alle Fotos: Hans Scherhaufer.

 

Aktuell diskutiert wird das Dauerthema Doppelverbeitragung auch bei den Zusatzversorgungskassen: „Die Politik hat mit der Doppelverbeitragung der Betriebsrenten 2004 der zweiten Säule einen Bärendienst erwiesen“, beklagte Dilcher und forderte die Politik auf, diese Doppelverbeitragung unbedingt zurücknehmen.

 

Non-Profit gilt es zu erhalten

 

Überhaupt, die Regulierung: Langenbrinck bekräftigte, dass europäische Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, wie z.B. Solvency II, auf die Zusatzversorgungskassen nicht anwendbar seien: „Die Zusatzversorgungskassen sind nicht gleichzusetzen mit privaten Lebensversicherungsunternehmen. Die Kassen zahlen weder Provisionen noch erheben sie Verwaltungsgebühren. Die Zusatzversorgungskassen sind Non-Profit-Einrichtungen, die es zu erhalten gilt.“ Das sollte die Politik berücksichtigen, bevor sie pauschal derartige Vorschriften auf die Zusatzversorgungskassen übertragen möchte, warnte Langenbrinck, denn damit würde sie im Ergebnis das tarifvertraglich fundierte System der Altersversorgung im öffentlichen Dienst zerschlagen.

 

Recht und Gerechtigkeit

 

In seinem philosophisch angelegten Vortrag „Gerechtigkeit und Solidarität“ ging Julian Nida-Rümelin auf die vielschichtigen Wechselbeziehungen beider Begriffe ein.

…Julian Nida-Rümelin bei seinem Vortrag…

Gerechtigkeit hat mit Rechtfertigung gegenüber allen zu tun, die als Freie und Gleiche respektiert werden müssen“, betonte Nida-Rümelin. Entgegen der üblichen These, dass Freiheit und Gerechtigkeit in Konkurrenz zueinander stünden, legte er dar, dass individuelle Rechte ein integraler Bestandteil politischer und sozialer Gerechtigkeit sind.

 

Solidarität ist institutionell im Sozialstaat abgestützt. Im deutschen Modell würden fast alle einzahlen und auch empfangen (Kooperation), während im skandinavischen Modell die Bürgerrechte und im angelsächsischen Sozialstaatsmodell die Bedürftigkeit im Vordergrund stehe.

 

Generationengerechtigkeit bis zur Ruhestandszeit

 

Generationengerechtigkeit setze voraus, dass sich die gesamte Gesellschaft auf einen fairen Lastenausgleich einigt, und dabei spiele nicht nur die Politik eine unverzichtbare Rolle, sondern auch Sozialpartner, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen.

 

…die Vorgenannten mit AKA-Geschäftsführer Klaus Stürmer (2.v.l.) und Rolf Schmachtenberg, parl. STS im BMAS (3.v.l.)…

Bezogen auf die Altersversorgung sagte der Philosoph, dass Generationengerechtigkeit nicht nur eine ökonomische Dimension habe, sondern auch eine kulturelle. Es gehe um Anerkennung von Lebensleistungen, die sich nicht immer monetär niederschlagen.

…und Klaus Stürmer mit Pascal Bazzazi, LbAV. Alle Fotos: Hans Scherhaufer.

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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