Ein Asset Manager hat sich mit dem Verhalten von Anleihen-ETF während der jüngsten Marktturbulenzen befasst und bescheinigt der Asset-Klasse, ihren Liquiditätstest bestanden zu haben – wobei es deutliche Defizite der Preisbildungsmechanismen an den Märkten gebe. Ein anderer blickte im großen Stil auf den Trend deutscher Großinvestoren zu nachhaltigem Investieren – und dem konnte die Krise offenbar wenig anhaben.
Covid-19 hat viele Märkte auf eine harte Probe gestellt, nicht zuletzt die der Anleihen – mit Kurseinbrüchen und Spreadausweitungen, wie sie die Märkte nur selten gesehen habe, berichtet Invesco. Das macht auch vor ETF nicht halt.
„Für Anleihen-ETF wurde die extreme Volatilität an den Kreditmärkten im März und April mit der Massenflucht der Anleger in Liquidität zu einem Worst-Case-Szenario-Test, der die Erfahrung der globalen Finanzkrise klar in den Schatten stellte“, schreibt der Asset Manager in einer gestrigen Mitteilung. In diesem Umfeld wurden eine ganze Reihe von Anleihen-ETF vorübergehend mit einem erheblichen Abschlag gegenüber ihrem offiziell festgestellten Wert (NAV) gehandelt. Das löste eine Debatte darüber aus, ob ETF durch die extremen Marktbewegungen an ihre Grenzen getrieben worden waren und vielleicht sogar die Finanzmarktstabilität gefährden könnten, blickt Invesco zurück, und nahm dies zum Anlass, in einem Whitepaper dieser Frage nachzugehen.
NAV ist nicht gleich fairem Wert
Fazit der Autoren: Grund für die hohen Abschläge war nicht in den ETF selbst begründet, sondern vielmehr in der Ermittlung des NAV. „ETF haben diesen Liquiditätstest nicht nur bestanden, sondern gezeigt, dass sie den eigentlichen Wert der zugrunde liegenden Anleihen sogar besser reflektieren“, sagt Pasquale Capasso.
Abb.: ETF versus NAV.
Quelle: Invesco. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Wie der EMEA ETF Capital Markets bei Invesco erläutert, sollten Investoren den NAV bei Anleihen nicht mit dem fairen Wert gleichsetzen. Da Anleihen außerbörslich OTC gehandelt werden, gebe es keine offiziellen „Schlusskurse“ wie an den Aktienmärkten. Daher müsse der NAV anders ermittelt werden. Wie eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeige, werden an einem normalen Tag nur für rund ein Drittel der USD-Unternehmensanleihen Kauf- und Verkaufskurse gestellt. Dadurch könne der Preis einer Anleihe mehrere Tage alt sein. Hinzu komme, dass in einigen Anleihemärkten zum Teil gar nicht alle Transaktionen erfasst und gemeldet werden. Das mache es selbst in normalen Zeiten schwierig, den wirklichen Wert einer Anleihe zu bestimmen – und in einem volatilen Marktumfeld noch mehr.
Höheres Risiko heißt höherer Spread
Um diese Lücke zu schließen, erfragen Pricing-Service-Anbieter zum Beispiel Preisschätzungen von unterschiedlichen Anleihehändlern. „Die Genauigkeit ihrer Berechnungen hängt damit natürlich von der Legitimität der bereitgestellten Preisschätzungen ab, und diese war nicht immer zweifelsfrei“, sagt Capasso.
„Eine genauere Untersuchung der Art und Weise, wie die NAVs in dieser Phase ermittelt wurden, hat bedenkliche Defizite deutlich gemacht.”
Wie er hinzufügt, reagieren die Broker mit höheren Geld-Brief-Spannen auf das höhere Risiko, wenn Anlagewerte, wie es in einigen Anleihemärkten Ende März und Anfang April der Fall war, nur schwer zu bepreisen sind.
Invesco kommt zu dem Schluss, dass die NAV von Anleihen-ETF und -Publikumsfonds in der Phase extremer Volatilität an den Kreditmärkten praktisch bedeutungslos waren, da die Pricing-Anbieter ihre für die NAV-Berechnung verwendeten Preisbildungsmodelle nicht entsprechend adjustierten. „Die Investoren vertrauen dem NAV als akkuratem Maß des Werts ihrer Fonds- und ETF-Portfolios“, so Capasso, und er wird deutlich: „Eine genauere Untersuchung der Art und Weise, wie die NAVs in dieser Phase ermittelt wurden, hat bedenkliche Defizite deutlich gemacht.”
Schnelles, zentrales Reporting tut not
Zur Lösung dieses Dilemma fordert Invesco Anpassungen zur Verbesserung der Marktstruktur der Anleihemärkte sowie der Preisbildungsmechanismen von Anleihen-ETF und -Fonds. So solle es für mehr OTC-Märkte ein zentrales Reporting von Handelstransaktionen und Preisen geben, und diese Daten sollten den Marktteilnehmern mit minimaler Verzögerung zur Verfügung stehen. Außerdem solle der Fokus stärker auf den Börsenkursen als auf nicht ausführbaren Händler-Quotierungen liegen. „Wir hoffen, dass diese Analyse den Anstoß für wichtige Anpassungen der Marktstruktur der Anleihemärkte und Verbesserungen zum Schutz der Investoren gibt“, sagt Capasso.
Liquider als die Märkte selbst
Aber auch wenn eine akkurate Wertfeststellung für die meisten Investoren in der jüngsten Krisenphase schwierig gewesen sei, hätten die ETF gezeigt, dass sie auch unter schwierigsten Bedingungen handelbar bleiben und liquider sind als einige andere Produkte – in vielen Fällen sogar als die zugrundeliegenden Anleihemärkte selbst.
„Damit dienten sie quasi als Preisfindungsinstrument, das Investoren einen Eindruck davon vermittelt, wo der faire Preis liegen sollte. Selbst wenn zum Teil unerwartet hohe Preisabschläge zu zahlen waren, waren dies zumindest Preise, zu denen Investoren weiter mit ETF handeln konnten“, so Capasso. Und das taten sie auch, berichtet Invesco: „Selbst an den volatilsten Tagen waren sowohl Käufer als auch Verkäufer aktiv – während sich viele Investoren auf der Flucht in die Liquidität von allem Liquidierbaren in ihren Portfolios – darunter ETF – trennten, nutzten andere Investoren die Turbulenzen als Chance für den Markteinstieg.“
„ETF haben ihre Resilienz unter Beweis gestellt und Investoren nicht nur einen jederzeitigen Marktzugang geboten, sondern im Krisenumfeld auch als Preisfindungsinstrument und wichtige Quelle der Liquidität gedient.“
Seit der extremen Volatilität vom März und April haben sich die Marktbedingungen verbessert, da Fed & Co. bekanntlich im Rahmen ihrer Ankaufprogramme auch Unternehmensanleihen – und Unternehmensanleihen-ETF – ankaufen. Diese Stimulusmaßnahmen hätten zu bedeutenden Zuflüssen in Investment-Grade-Anleihen-ETF sowie ETF für Hochzinsanleihen geführt, darunter „Fallen Angel“-Anleihen von Unternehmen, deren Ratings aufgrund der Folgen der Coronakrise für ihr Geschäft heruntergestuft wurden.
Nachdem sie die jüngste Bewährungsprobe gemeistert haben, glaubt Pasquale Capasso, dass ETF mit ihrer Flexibilität und täglichen Handelbarkeit künftig – insbesondere in volatilen Zeiten – noch stärker gefragt sein könnten. „ETF haben ihre Resilienz unter Beweis gestellt und Investoren nicht nur einen jederzeitigen Marktzugang geboten, sondern im Krisenumfeld auch als Preisfindungsinstrument und wichtige Quelle der Liquidität gedient.“
Details zur der Studie der Invesco finden sich in englischer Sprache hier.
80 Prozent der Anleger und …
Nächstes Thema: Nur wenige Großanleger verzichten heute noch auf ESG-Anlagestrategien. So ist der Anteil der nachhaltig investierenden Großanleger zuletzt auf einen Rekordwert von 80 Prozent angestiegen. Dies ist ein zentrales Ergebnis der von Union Investment jährlich durchgeführten Nachhaltigkeitsstudie. In diesem Jahr beteiligten sich 166 Großanleger mit einem Kapitalvolumen von mehr als sechs Billionen Euro an der Befragung, teilte der Asset Manager gestern mit.2
Im vergangenen Jahr lag die Quote der Nachhaltigen noch bei 72 Prozent, und noch vor fünf Jahren waren lediglich 60 Prozent nachhaltig investiert.
„Dass inzwischen vier Fünftel der Großanleger Nachhaltigkeitskriterien in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen, zeigt die Wirkungen der intensiven Debatten über Nachhaltigkeit und Klimaschutz“, sagt Alexander Schindler. „Den meisten Investoren ist bewusst, dass Nachhaltigkeit zu einer wichtigen Dimension der Kapitalanlage geworden ist. Denn ESG-Kriterien schärfen nicht nur den Blick für Anlagerisiken, sondern auch für die mit Nachhaltigkeit verbundenen Chancen“, so der Union-Vorstand für das institutionelle Kundengeschäft weiter.
Gewachsen sei auch das Wissen der Investoren über die nachhaltige Kapitalanlage, weiß die Union zu berichten: Hatten vor fünf Jahren gerade einmal 38 Prozent der Befragten ihren Kenntnisstand als gut oder sehr gut bewertet, so äußerten sich jetzt 60 Prozent entsprechend. Deutlich gestiegen in den vergangen fünf Jahren auch der Anteil der Investoren, die mit ihren nachhaltigen Anlagen zufrieden sind: von 43 auf aktuell 56 Prozent.
… 56 Prozent der Assets
Nach ökologischen, sozialen, ethischen oder Governance Kriterien sind mehr als die Hälfte (56 Prozent) aller Assets der Nachhaltigkeitsanwender angelegt. Besonders hoch ist laut der Studie erwartungsgemäß der Anteil mit 75 Prozent bei Kirchen und Stiftungen. Aber auch Versicherungen weisen mit 66 Prozent einen hohen Wert auf.
Ausschluss dominiert vor …
Bei den Verfahren zur Auswahl nachhaltiger Anlagen dominieren Ausschlusskriterien. 92 Prozent der Nachhaltigkeitsanwender nutzen diese.
„Spannend sind vor allem Unternehmen im Wandel. Als aktiver und nachhaltiger Investor gilt es, diese rechtzeitig zu finden und zu begleiten, bevor der Markt ihr Potenzial entdeckt.“
Gleichzeitig sind allerdings drei Viertel (74 Prozent) der Befragten gegen einen Ausschluss von Unternehmen aus nachhaltigen Portfolios, bei denen eine Transformation hin zu einem nachhaltigen Unternehmen zwar geplant, aber noch nicht vollzogen ist.
Das kann offenbar Chance für First Mover eröffnen: „Spannend sind für Anleger vor allem Unternehmen, die im Wandel begriffen sind. Als aktiver und nachhaltiger Investor gilt es, diese rechtzeitig zu finden und zu begleiten, bevor der Markt ihr Potenzial entdeckt“, betont Schindler.
… vor Negative Screening, Positive Screening und Best-in-Class
Auf die Ausschlusskriterien folgen nach Häufigkeit der Anwendung das Negative Screening mit 72 Prozent, das Positive Screening mit 58 Prozent und der Best-in-Class-Ansatz mit 55 Prozent.
Abb.: Verfahren im nachhaltigen Investmentprozess.Quelle: Union Investment. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Dagegen greift lediglich ein Drittel der Investoren (34 Prozent) auf Engagement zurück – und das, obwohl gerade dieser aktive Dialog mit den Emittenten der eigenen Anlagen von 57 Prozent der Befragten als besonders wirksam beurteilt wird. Schindler: „Das Engagement als aktiver Aktionär ist zwar aufwändig, aber ein sehr wirkungsvolles Instrument, um die Nachhaltigkeitspräferenzen von Investoren gezielt und langfristig umzusetzen. Aus diesem Grund ist es zielführend, dass institutionelle Anleger Engagement-Ansätze über Outsourcing-Mandate einsetzen“.
Regulierung verstärkt den Trend
Die große Mehrheit der Investoren geht offenbar davon aus, dass die Bedeutung nachhaltiger Anlagestrategien künftig weiter zunehmen wird. 83 Prozent (damit 14 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr) erwarten laut Studie einen sehr starken oder starken Anstieg des ESG-Anlagevolumens in den kommenden zwölf Monaten.
Vor allem die weiter anhaltende Regulierung nennen 70 Prozent der Befragten als Grund für eine intensivere Beschäftigung mit nachhaltigen Investments. Ebenso viele Investoren halten die klimapolitische Regulierung grundsätzlich für sinnvoll und glauben, dass nachhaltige Kapitalanlagen die Entwicklung des Weltklimas positiv beeinflussen können.
Einig seien sich die Investoren hierzulande in einem wichtigen Punkt, stellt die Union fest: Der nachhaltige Umbau der Wirtschaft wird die Karten neu mischen und neue Chancen und Risiken für die Kapitalmärkte mit sich bringen.
Nicht alle Branchen und Geschäftsfelder weisen dabei allerdings gleich große Chancen auf. Überdurchschnittliches Potenzial für nachhaltige Investments sehen die deutschen Großanleger vor allem im Energiesektor (95 Prozent) sowie im Transport- und Mobilitätssektor (93 Prozent).
CO2-Preis: Da geht noch was!
Vor allem stehen die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken und Chancen im Fokus der Investoren. 92 Prozent sind überzeugt, dass die Klimarisiken an den Kapitalmärkten noch nicht angemessen bepreist sind. Die Mehrheit der Befragten (55 Prozent) sieht in der geplanten CO2-Bepreisung in Höhe von anfänglich 25 Euro pro Tonne im Rahmen des deutschen Klimapakets eher eine Chance als ein Risiko für die deutsche Wirtschaft. Jedoch halten rund drei Viertel der Investoren (72 Prozent) den von der deutschen Bundesregierung vorgesehenen Preis von 25 Euro je Tonne CO2-Ausstoß für nicht angemessen. Sie plädieren stattdessen für einen mehr als doppelt so hohen Preis, im Durchschnitt in Höhe von rund 63 Euro.
Nachhaltig macht krisenfester
Die offenbar hohe Zufriedenheit der Investoren mit ESG-Investments ließe sich auch auf deren Performance zurückführen, führt die Union aus. Lediglich zwei von 130 Befragten, die sowohl nachhaltig als auch konventionell investieren, gaben an, dass die Rendite ihrer nachhaltigen Kapitalanlage im Vergleich zu konventionellen Portfolios schlechter gewesen sei. Bei zwölf Prozent entwickelte sich die Rendite allerdings deutlich besser.
„Auch in der Corona-Krise scheinen sich nachhaltig ausgerichtete Strategien gegenüber konventionellen Ansätzen bislang etwas besser geschlagen zu haben.“
In Bezug auf das Risiko ihres nachhaltigen Portfolios sehen 25 Prozent hier deutliche Vorteile. Jeweils rund der Hälfte der Investoren zufolge haben das nachhaltige und das konventionelle Portfolio bezüglich Performance (59 Prozent) und Risiko (46 Prozent) ähnlich abgeschnitten.
„Dieser Befund bestätigt die Ergebnisse verschiedener Studien, die mit Blick auf nachhaltige Strategien generell keine Renditenachteile feststellen und sogar leichte Vorteile bei den ESG-Strategien sehen. Auch in der aktuellen Corona-Krise scheinen sich nachhaltig ausgerichtete Strategien gegenüber konventionellen Ansätzen bislang etwas besser geschlagen zu haben“, stellt Schindler fest.
Zu dieser Einschätzung ist Union Investment in einer Analyse des Portfoliomanagements gelangt, die unabhängig von der Nachhaltigkeitsstudie durchgeführt wurde.2
Auch wenn diese Untersuchung nur eine Momentaufnahme darstellt, hält die Union als ihr Fazit dennoch fest: ESG-Strategien haben sich in der aktuellen Krise bislang robuster als der Gesamtmarkt entwickelt. Das nachhaltig aufgebaute Portfolio konnte nicht nur die immensen Verluste an den Weltbörsen abfedern, sondern verzeichnete auch aufgrund der Verkäufe eine positive Gesamtbilanz. „Die Gründe dafür sind zwar nicht ausschließlich auf Nachhaltigkeitsaspekte zurückzuführen. Dennoch spricht einiges dafür, dass Unternehmen, die besonders nachhaltig wirtschaften, krisenfester sind“, so Schindler.
Ein Booklet zur Nachhaltigkeitsstudie der Union findet sich hier.
Ein Thesenpapier der Union zu den mittelfristigen Auswirkungen von Corona auf ESG und wie sich Umwelt, Gesellschaft und Politik verändern, findet sich hier.
Fußnoten:
1) Für die diesjährige Untersuchung wurden von Januar bis April 2020 insgesamt 166 institutionelle Investoren in Deutschland befragt, die zusammen ein Vermögen von mehr als sechs Billionen Euro verwalten. Das Spektrum der Befragten umfasste folgende Investorengruppen: Versicherungen (18 Prozent der Befragten), Großunternehmen (9 Prozent), Altersversorger/Pensionskassen (12 Prozent), Stiftungen/Kirchen (16 Prozent), Kreditinstitute (24 Prozent) und Kapitalverwaltungsgesellschaften (21 Prozent).
2) Als Anlageuniversum wurde dabei zunächst der MSCI World festgelegt. Mit seinen 1.640 Titeln aus 23 Industrieländern und einer breiten Sektorenzusammensetzung bildet er einen verlässlichen Indikator für den globalen Aktienmarkt. Im nächsten Schritt wurden alle Unternehmen aus dem MSCI World sektorweise nach ihrem ESG-Score sortiert. Im Rahmen einer stark vereinfachten Investmentstrategie wurde angenommen, die Aktien der besten 20 Prozent der so sortierten Unternehmen zu kaufen. Gleichzeitig wurden die am schlechtesten bewerteten 20 Prozent der Titel verkauft.