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Die deutsche Altersvorsorge vor und nach der Wahl:

Reförmchen im System

Konsequent angefasst wurden die Geburtsfehler besonders der ersten Säule der deutschen Altersvorsorge nie. Das dürfte nach der Bundestagswahl nicht besser werden – im Gegenteil. Ein Kommentar von Nikolaus Bora.

 

 

Nikolaus Bora.

Klimakrise, Corona und die Folgen, Wohnungsnöte, Digitalisierung, Außen- und Verteidigungspolitik sind die häufigsten Wahlkampfthemen. Von anderen Problemen, die dringend gelöst werden müssen, ist etwas seltener die Rede; dazu gehören beispielsweise die Gestaltung der Altersvorsorge und das Dilemma der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Hier muss die Politik in der kommenden Legislatur das nachholen, was in den vergangenen vier Jahren versäumt worden ist. In ihren Wahlprogrammen versprechen alle im Bundestag vertretenen Parteien, für eine sichere Rente sorgen zu wollen. Aber wie? Woher soll das Geld für die mit Sicherheit zunehmenden Ausgaben der GRV kommen?

 

 

Die durchschnittliche Rentenlaufzeit beträgt jetzt bereits gut 20 Jahre.“

 

 

Denn in den kommenden zwei Dekaden steigt mit dem Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge die Zahl der Ruheständler. Gleichzeitig folgen ihnen schwächer besetzte Jahrgänge ins Erwerbsleben, die auch durch Zuwanderung nicht ausgeglichen werden.

 

Die durchschnittliche Rentenlaufzeit beträgt jetzt bereits gut 20 Jahre. Sie verlängert sich weiter, weil – erfreulicherweise – die Lebenserwartung steigt.

 

 

Die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung sind systemimmanent, bestehen also seit der Rentenreform von 1957.“

 

 

Die Politiker können an mehreren Stellschrauben drehen, um die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung wenigstens vorübergehend zu lösen. Die Renten können abgesenkt werden. Dazu hat niemand den Mut. Der Beitragssatz kann erhöht werden, was wohl unvermeidlich ist, ebenso wie ein späteres Renteneintrittsalter. Der Kreis der Zwangsversicherten kann ausgeweitet werden. Je nach künftigerKoalition wird das geschehen. Eine weitere Möglichkeit: Der Bund schießt noch mehr als die schon über 70 Milliarden Euro (2019) zu.

 

 

Die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung sind systemimmanent, bestehen also seit der Rentenreform von 1957. Schon vor ihrer Verabschiedung hatten Versicherungsmathematiker auf die Schwächen der Reform hingewiesen, die das System bis heute belasten (s. Tactical Advantage Vol 5).

 

In den folgenden Jahren hat es zwar mehrere „Reförmchen“ gegeben, aber nie des Systems, sondern immer nur innerhalb des Systems. Den erhofften Erfolg hat das nicht gebracht, dennoch soll es laut Wahlprogrammen so weitergehen.

 

Wenn der Kreis der Zwangsversicherten ausgeweitet wird, erhöhen sich zwar die Einnahmen, doch gleichzeitig entstehen Verpflichtungen. Werden diese fällig, muss erneut über frisches Geld nachgedacht werden. Heute ist die Zahl möglicher Neuzugänge überschaubar.

 

 

Die Idee, zusätzlich zur privat organisierten bAV eine staatliche Zusatzversorgung als Zwangsversicherung für die Mitarbeiter aller kleinen und Kleinstunternehmen, die keine eigene bAV haben, zu etablieren, überzeugt nicht.“

 

 

SPD, Grüne und Linke wollen zwar alle Beamten in die Sozialversicherung bringen, doch das kann nur für künftige Fälle gelten. Rückwirkend ist das rechtlich unmöglich. Viele Selbstständige und Freiberufler verfügen bereits heute über eine gute Altersvorsorge, sei es privat oder über berufsständische Versicherungen. Die Politik kann sie kaum zwingen, erworbene Ansprüche gegen absehbar geringere zu tauschen.

 

Die Idee, zusätzlich zur privat organisierten betrieblichen Altersversorgung eine staatliche Zusatzversorgung als Zwangsversicherung für die Mitarbeiter aller kleinen und Kleinstunternehmen, die keine eigene bAV haben, zu etablieren, überzeugt nicht. Durch das BRSG haben auch die KMU die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern haftungsarme bAV anzubieten. Die Tarifpartner sind gefragt, darüber aufzuklären und dafür zu werben.

 

Einige Politiker unterschiedlicher Parteien sind auf die Idee gekommen, privat und betrieblich Versicherte zu enteignen. Sie wollen Rücklagen der privaten und betrieblichen Vorsorge der gesetzlichen Rentenversicherung einverleiben. Unmöglich erscheint selbst das nicht.

 

Der neue Bundestag wird schnell entscheiden müssen. Das Ergebnis hängt davon ab, welche Koalition die Regierung tragen wird.

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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