Heute fällt eine Vorentscheidung, ob die bAV über eine unmittelbar rechtswirksame EU-Verordnung wie gewöhnliche Retail-Finanzprodukte der Pflicht zu einem Key Information Document unterworfen wird.
In das vielfältige europäische Regulierungsvorhaben „Packaged Retail Investment Products“ (PRIPS) für Retail-Produkte könnte auch die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, und zwar unmittelbar durch eine europäische Rechtsverordnung und damit ohne die Notwendigkeit einer Umsetzung in nationales Recht: Heute um 12 Uhr mittags läuft die Frist ab, innerhalb derer Änderungsanträge zu dem Bericht des hier federführenden Wirtschafts- und Währungsausschusses (ECON) des Europäischen Parlaments zur Pflicht zu einem Key Information Document eingebracht werden können. Doch vermutlich wird es dazu kommen. Denn gestern bestätigte Werner Langen, EP-Abgeordneter der CDU/EVP und ECON-Mitglied, gegenüber Leiter-bAV.de, dass seine Fraktion entsprechend aktiv werden wird: „Die Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Umwelt der EVP-Fraktion hat sich heute auf meine Initiative hin mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, der Ausweitung und Zweckentfremdung der französischen Berichterstatterin des PRIPS-Dossiers in den wichtigsten Punkten entgegenzutreten. Insbesondere die strikte Ausnahme der bAV aus dem Anwendungsbereich, die die Kommission in ihrem Verordnungsentwurf vorgesehen hatte, wird unterstützt und vage Formulierungen, die die bAV unter Umständen miteinbeziehen, abgelehnt.“
ECON verschärft Kommissionsvorschlag
Am 21. Oktober hatte der ECON unter der französischen Berichterstatterin Pervenche Berès in seinem Bericht Änderungen an dem Kommissionsvorschlag vom 3. Juli zu der Rechtsverordnung gefordert, in dem die bAV ausdrücklich ausgenommen war. Zu diesem Zweck hatte der Kommissionsvorschlag explizit auf die Pensionsfondsrichtlinie (2003/41/EC) und Solvency-II-Richtlinie (2009/138/EC) verwiesen. In dem ECON-Bericht sind dieses Ausnahmetatbestände gestrichen worden, so dass es in dessen Artikel 2e bezüglich der Herausnahme der bAV aus dem Geltungsbereich der geplanten Verordnung nun nur noch heißt:
This Regulation […] shall not apply to the following products:
(e) officially recognised occupational pension schemes and individual pension products for which a financial contribution from the employer is required by national law and where the employer or employee have no choice as to the pension product or provider.
Träte die Verordnung wie vom ECON vorgeschlagen inkraft, bedeutete dies einen Präzendzfall, die bAV regulatorisch als Finanzprodukte zu adressieren. Doch hieße das auch, dass beispielsweise ein Bosch-Pensionsfonds, der nur für Bosch-Mitarbeiter geschaffen wurde und diesen nicht als vertriebsorientiertes Finanzprodukt, sondern als Vehikel einer Sozialleistung exklusiv zur Verfügung steht, eben diesen Mitarbeitern gegenüber mit einem KID operieren müsste? Darüber kann man streiten. Denn schließlich haben weder Bosch noch die Mitarbeiter eine Wahl, von der besagter Artikel 2e spricht. Es gibt eben für Bosch-Mitarbeiter nur den Bosch-Pensionsfonds. Nach dieser Lesart wären unternehmenseigene EbAV damit von der Regulierung ausgenommen. Nun könnte man aber umgekehrt erstens annehmen, dass Bosch ja vor der Gründung des Pensionsfonds durchaus die Wahl hatte, wie es seine bAV gestalten will. Und zweitens verknüpft der Artikel 2e die Anforderungen nicht alternativ, sondern kumulativ. Demzufolge wäre eine rechtliche Obliegenheit einer Arbeitgeberfinanzierung (die es in Deutschland gar nicht gibt) Voraussetzung einer Nichtanwendung. Insofern müsste also das Wörtchen „and“ durch „or“ ersetzt werden. Aber ist es so einfach?
EVP und aba üben Kritik
Es ist eben gerade diese „vage Formulierung“, von der Langen spricht, an der sich die Geister scheiden. Auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung fürchtet mögliche Konsequenzen: „Die vom ECON vorgeschlagene Änderung des Artikel 2e muss gemäß dem eindeutigen Wortlaut der derzeitigen Formulierung so gelesen werden, dass Systeme der bAV grundsätzlich der PRIPs-Verordnung unterfallen.“ Schließlich dürfte ein kumulatives Vorliegen der in Artikel 2e genannten Voraussetzungen nur in Ausnahmefällen innerhalb der EU erfüllt sein. Und obwohl es zahlreiche tarifvertragliche und betriebliche Regelungen zur bAV gebe, sei in Deutschland zum einen kein Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, bAV-Beiträge zu leisten, und könne zum anderen stets den für ihn passenden Versorgungsträger frei wählen. „Eine Beibehaltung der Formulierung hätte infolge der unmittelbaren Geltung einer EU-Verordnung damit zur Folge, dass in der deutschen bAV sämtliche Systeme sowie alle Anbieter zertifizierter Riester-Produkte die eigentlich für Kleinanleger und Investmentprodukte entwickelten Informationspflichten zu erfüllen hätten, und dass deren Einhaltung entsprechend zu überprüfen und zu sanktionieren wäre“, so die aba weiter. Außerdem betont aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann, dass diese Regulierung andere Vorschriften konterkariere, da sie „ohne Rücksicht auf die EbAV-RL und deren anstehende Überarbeitung, der neuen Info-Pflichten durch die Ex-Portabilitäts-RL und den laufenden Arbeiten am ‚Code of good Practice for Occupational Pension Schemes‘ erfolgen würde.“
Grundsätzlich skeptisch äußert sich auch Langen: „Die bAV ist kein Anlageprodukt und hat deshalb nichts in diesem Verordnungsentwurf verloren. Auch weitere Vorschläge der sozialistischen Berichterstatterin, die den Bericht durch Produktregulierung zweckentfremdet, wird die EVP ablehnen.“
Verfahren geht in den Trilog
Das EP wird am 21. November über den Bericht abstimmen. Anschließend geht die Verordnung in das Trilog-Verfahren, in dem Parlament, Kommission und der Europäische Rat eine Einigung finden müssen. Die EVP will sich offenbar nicht dem Risiko aussetzen, dass die auf dem Brüsseler Parkett als gewieft geltende Sozialistin Berès in diesem Trilog über zu viele Spielräume verfügt, und dürfte deshalb heute noch einen Änderungsantrag einbringen. Auch die aba wünscht sich Unzweideutigkeit: Stiefermann fordert, „die bAV klar und unmissverständlich aus dem Anwendungsbereich der PRIPs-Verordnung auszunehmen und klar zwischen betrieblicher und privater Altersversorgung zu differenzieren.“ Bei der bAV handele es sich nicht um ein Finanzprodukt, sondern im Kern um eine freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers in einem Arbeitsverhältnis. „Verbraucherschutz erfolgt hier in erster Linie über das Arbeitsrecht“, so Stiefermann weiter.
Welchen Entwurf das EP am Ende verabschiedet, wird man sehen. In jedem Fall ist die Situation bemerkenswert. Denn dass man, wenn es um die Abwehr von Verschlechterungen der Rahmenbedingungen der bAV geht, ausgerechnet auf die Europäische Kommission höchstselbst hoffen muss, das hat man schließlich auch nicht alle Tage.
Zu dem ECON-Bericht („Report on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on key information documents for investment products“) geht es hier.