Das Forum für das institutionelle deutsche Pensionswesen

Kassandra:

Die kommentierte Presseschau zur bAV

 

Jeden Freitag bringt Leiter-bAV.de eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Pleitewelle mit Wirkung bis zum PSV?

 

 

ard.boerse.de (16. Juli): „Dax-Konzerne müssen höhere Pensionsverpflichtungen schultern – Die große Renten-Last.“

 

Die für unser Parkett schon jahrealte Problematik findet sich seit einiger Zeit mit kürzer werdender Regelmäßigkeit verstärkt in den Massenmedien. Hier wird in der ARD deutlich die Gefahr von Pleiten an sich gesunder Unternehmen infolge explodierender Pensionslasten thematisiert. Mit dem Strumpfhersteller Kunert wird ein Beispiel genannt, dem weitere folgen könnten – mit der Folge einer Überlastung des PSV. Zitat:

 

Käme es zu einer Pleitewelle, wäre aber irgendwann auch der Pensionssicherungsverein überfordert. Hundert Prozent sicher sind also auch die Betriebsrenten nicht.“

 

Ist das Schwarzmalerei? Jedenfalls hat die Draghische Geldschwemmenpolitik – die ja bekanntlich amtlich alternativlos ist – auch hier konkrete fatale Folgen für die Realwirtschaft, die uns noch lange begleiten werden. Es sei in diesem Zusammenhang nochmal daran erinnert, dass es sich bei dem Zins nach IAS 19 und HGB 253 um nichts anderes handelt als um eine Krücke, mit der eine künftig kommende Belastung in der Gegenwart so realitätsnah wie möglich abgebildet werden soll – etwas, das gemäß der Natur der Sache nur sehr eingeschränkt gelingt. Hinzu tritt, dass diese Krücke am Ende des Tages nicht den geringsten Einfluss auf den Cash-Flow der zu zahlenden Renten hat.

 

Je nach Lesart des Artikels könnte man den Eindruck gewinnen, als sei ein Outside Funding ein Allheilmittel des Problems. Doch erstens fallen die hierfür notwendigen Mittel schließlich auch nicht vom Himmel, und zweitens gilt nach wie vor: Wer glaubt, mit Planvermögen am Kapitalmarkt einen höheren Return zu erwirtschaften als wenn die Mittel im eigenen operativen Geschäft investiert werden respektive bleiben, der müsste sein Unternehmen konsequenterweise liquidieren und mit dem Ertrag Asset Manager werden. Richtig ist aber umgekehrt auch: Das absurd niedrige Zinsniveau, das manchen Unternehmen offen steht, zu nutzen, um zu lächerlichen Finanzierungskonditionen Pensionsrückstellungen langfristig aus der Bilanz raus zu funden, ist sicher auch nicht die schlechteste aller Strategien, zumindest macht sie aus der Not eine gewisse Tugend.

 

Wie dem auch sei, im zugehörigen Interview mit der ard-boerse geht Longials Paulgerd Kolvenbach zwar davon aus, dass die DAX-Konzerne „das Schlimmste hinter sich haben“, doch für die HGB-Bilanzierer des deutschen Mittelstandes schließt auch er weitere Insolvenzen nicht aus.

 

Kassandra unkt weiter, dass die Bundesregierung – sei es der 17b des BMAS oder die kommende BMF-Studie zur bAV – sich schon in Kürze notfallmäßig mit anderen, drängenderen Fragen wird beschäftigen müssen als mit der Verbreitung der bAV – nämlich mit der Anpassung der Bilanzierungsvorschriften für Pensionsverbindlichkeiten und möglicherweise sogar mit der Liberalisierung von Rentenkürzungen, vielleicht sogar bei schon laufenden Versorgungen.

 

 

 

DWN (21. Juli): „IWF: Pensionsfonds werden wegen Niedrig-Zinsen zum System-Risiko.“

 

Die oben geschilderten Gefahren infolge der Geldschwemme setzen sich auf der systemischen Makro-Ebene nahtlos fort. Der IWF befürchtet laut Artikel, dass die Not der IORPs, zusätzliche Risiken zu gehen, sich zu einer Gefahr für die Finanzstabilität auswachsen könnte. Das gelte besonders für in DC-Plänen gebundene Fonds, die sich beispielsweise infolge verstärkten Engagements in der Wertpapierleihe Richtung Schattenbanken entwickeln könnten.

 

Die beiden vorgenannten Beiträge zeigen es erneut: Der Entschluss Europas und Nordamerikas, die durch zu billiges Geld entstandene Krise durch noch mehr billiges Geld zu bekämpfen (also den Alkoholiker mit Schnaps zu therapieren), zieht nicht nur schwere fiskalpolitische und ordnungspolitische Probleme nach sich (u.a. steigende Staatsschulden, Verfall des Haftungsprinzips, Moral Hazard, Crowding out und massive Umverteilung), sondern hat auch realwirtschaftliche Folgen – neben der Schaffung und Verfestigung uneffizienter Strukturen eben auch Verwerfungen im Pensionswesen, die ihrerseits wieder neue Wechselwirkungen erzeugen.

 

Exit-Strategie? Fehlanzeige.

 

 

 

Finanztest: (21. Juli): „Betriebsrente – Diesen Pensionskassen können Sie Ihr Geld anvertrauen.“

 

Finanztest schreibt zu dem Beitrag, dass „nur 5 von 22 Pensionskassen im Test attraktiver als vergleichbare private Angebote“ seien. Da der Beitag nur kostenpflichtig abrufbar ist (2,50 €), wird er hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht weiter behandelt.

 

 

 

OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN

 

WiWo.de (22. Juli): „Otmar Issing: 'Die Kredite an Griechenland sind verloren.'“

 

Der große alte Mann der deutschen Geldpolitik, an dem in der alten Bundesrepublik, die es nicht mehr gibt, kein VWL-Student vorbeikam (heute liest man in den Hörsälen der Republik wohl eher Krugman, Stiglitz und Bofinger).

 

Jedes Wort, jeder Gedanke in dem Interview stimmt. Doch eines kann man kritisieren: Am Ende glaubt auch Issing offenbar an die Kraft der geschriebenen Verträge in der Politik. Doch dieser Glaube widerspricht der Realität, verletzt er doch – erst recht auf dem internationalen Parkett – den Begriff des Politischen, wie wir ihn von Max Weber, Hans J. Morgenthau, Raymond Aron und vor allem Carl Schmitt kennen.

 

Insofern ist das nun überall zu hörende Gerede von der dringenden Notwendigkeit einer schnellen politischen Union in Europa nichts als infantiles Gerede. Das vertragliche wie das reale Scheitern der Union auf dem Feld der Währungsunion würde sich auf allen anderen Politikfeldern, die man nun fix integrieren möchte, nahtlos fortsetzen – vom völlig fehlenden Willen der europäischen Völker zu einer solchen politischen Union ganz zu schweigen.

 

 

 

FAZ (20. Juli): „Athen überweist 6 Milliarden Euro an Gläubiger.“

 

Sage bitte keiner, dass es sich hier um ein veritables Schneeballsystem handele, gar noch um das größte in der Geschichte der Menschheit.

 

 

 

Diskriminierungsfreie Sprache auf LEITERbAV

LEITERbAV bemüht sich um diskriminierungsfreie Sprache (bspw. durch den grundsätzlichen Verzicht auf Anreden wie „Herr“ und „Frau“ auch in Interviews). Dies muss jedoch im Einklang stehen mit der pragmatischen Anforderung der Lesbarkeit als auch der Tradition der althergerbachten Sprache. Gegenwärtig zu beobachtende, oft auf Satzzeichen („Mitarbeiter:innen“) oder Partizipkonstrukionen („Mitarbeitende“) basierende Hilfskonstruktionen, die sämtlich nicht ausgereift erscheinen und dann meist auch nur teilweise durchgehalten werden („Arbeitgeber“), finden entsprechend auf LEITERbAV nicht statt. Grundsätzlich gilt, dass sich durch LEITERbAV alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen sollen und der generische Maskulin aus pragmatischen Gründen genutzt wird, aber als geschlechterübergreifend verstanden werden soll. Auch hier folgt LEITERbAV also seiner übergeordneten Maxime „Form follows Function“, unter der LEITERbAV sein Layout, aber bspw. auch seine Interpunktion oder seinen Schreibstil (insb. „Stakkato“) pflegt. Denn „Form follows Function“ heißt auf Deutsch: "hässlich, aber funktioniert".

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