Jeden Freitag bringt Leiter-bAV.de eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Wie geht es weiter in Bonn und Frankfurt?
HB (19. Januar): „Bafin – Felix Hufeld soll neuer Finanz-Oberaufseher werden.“
Der Abgang der allseits Respekt genießenden Elke König nach Brüssel zum 1. März steht fest. Nun meldet das Handelsblatt, dass das BMF mit Felix Hufeld eine interne Nachfolgelösung anstrebe. Fragt sich nur, wer Hufelds Nachfolger als Chef der Versicherungsaufsicht werden soll, oder ob Hufeld möglicherweise beide Ämter in Personalunion bekleiden wird, zumindest kommissarisch. BMF wie Bafin wollten jedenfalls gegenüber LbAV keine Stellungnahme abgeben.
Aufschlussreiches zu Hufelds Blick auf die bAV findet sich hier und hier.
Der Westen (15. Januar): „Thyssen-Krupp Steel muss Betriebsrenten nachzahlen.“
Und täglich grüßt der Streit um den Paragrafen 16 – hier ein Beitrag aus dem Revier. Vermutlich sieht man sich beizeiten in Thüringen: Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt.
Mitteldeutsche Zeitung (20. Januar): „Sachsen-Anhalts Pensionsfonds verdoppelt Rendite.“
Sachsen-Anhalts Staatsfonds schafft einen Return von über über acht Prozent, vor allem dank Langläufern und Aktien. Letztere machen immerhin über 14 Prozent der Asset Allocation aus – eine für Industrie-CTAs nicht ungewöhnliche Quote, von der jedoch die weitaus meisten VAG-Anleger Lichtjahre entfernt sind.
In manchen Bundesländern setzt man dagegen ausschließlich auf Staatsanleihen des eigenen Landes, um die Pensionen der eigenen Beamten zu „funden“ – das ist nicht mehr als die verbriefte Form des Umlageverfahrens. Die sächsisch-anhaltinische Asset Alllocation überzeugt da schon eher. Gleichwohl: Im Vergleich zu den expliziten Staatsschulden des Bundeslandes, zu denen die impliziten der Beamtenpensionen korrekterweise hinzuaddiert werden müssen, erreicht der knapp 500 Millionen Euro schwere Pensionsfonds nicht mehr als homöopathische Größenordnungen.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
ZDF (22. Januar): „EZB beschließt Ankauf von Staatsanleihen.“
Ungewöhnlich informativer und kritischer Bericht zur EZB-Entscheidung im heute-journal von gestern abend. Sehenswert das Interview mit Professor Hans-Peter Burghof und sein Hinweis, dass die angebliche 80-Prozent-Haftung der nationalen Notenbanken nichts als Augenwischerei ist. Denn wie soll eine nationale Notenbank die Verluste tragen, die eben durch den Ausfall ihres Trägerstaates entstehen? Soll sie etwa durch eben den maroden Trägerstaat refinanziert werden, der seine eigenen Schulden nicht mehr bedienen kann? Am Ende steht die Haftungsgemeinschaft.
Es sei darüberhinaus von letzter Woche wiederholt: Das Deflationsgespenst und die angeblich drohende Spirale ist nichts weiter als eine Chimäre, die an Absurdität nicht mehr zu überbieten ist. Jeder außerhalb des Elfenbeinturms weiß, dass die Bürger im Euroraum von einer Aufschiebung von Anschaffungen aller Art – vom Kaffee bis zu Immobilien – in Erwartung fallender Preise in ihrem Alltag so weit entfernt sind wie ein Schweden-Krimi vom Literaturnobelpreis.
Stellt sich noch die Frage, warum Mario Draghi dann überhaupt die eingeschlagene Politik verfolgt. Dummheit und Unwissen? Eher nicht. Kassandra unkt daher weiter: Draghi ist kein Argument zu realitätsfern und von zu geringer Halbwertszeit – erst waren es angeblich zu hohe Zinsen der Krisenländer, die längst wieder pervers niedrig sind; dann war es die angeblich zu stockende Kreditvergabe; und nun ist es die Chimäre der Deflation – um per Geldschwemme seine wahren Ziele zu verfolgen: Nämlich all die durch billiges Geld entstandenen, völlig an allen realwirtschaftlichen Notwendigkeiten vorbeigehenden Strukturen in den Krisenländern – sei es im öffentlichen Sektor oder im Bankensektor – durch noch billigeres Geld irgendwie über die Krise zu retten, indem er Teile der überlaufenden Staatsschulden verschwinden lässt.
Um seine oben erläuterten Ziele zu erreichen, ist dem Italiener nicht nur kein Argument zu dumm, sondern mittlerweile auch keine Maßnahme zu monströs. Und dass sich das Bundesverfassungsgericht am Ende wirklich quer stellen wird, ist unwahrscheinlich. In Karlsruhe dürfte man sich durchaus die Frage stellen, warum man sich in die Bresche werfen und dem öffentlichen Sturm besonders der staatlichen und privaten Profiteure des Gelddruckes in Europa, aber auch in Deutschland, aussetzen soll, wenn weder die deutsche Regierung noch der deutsche Wähler den Mumm haben, diesen Euro-Zug, der offensichtlich in die immer falschere Richtung läuft, irgendwie aufzuhalten.
Und die Märkte? Die zeigen mittlerweile die ersten Anzeichen des Crack-up-Booms. Da die EZB – unmittelbar und mittelbar – Assetklasse um Assetklasse zerstört, werden Institutionelle, die Liabilities zu covern haben (also vor allem VAG-Anleger und EbAV) in immer riskantere Assets gedrängt, die sie normalerweise schon aus Transparenz und Komplexitätsgründen nie anfassen würden (Beispiel CAT-Bonds). Es wird der Tag kommen, an dem Pensionseinrichtungen aus Verzweiflung die Verbriefungen ausgelagerter Langlebigkeitsrisiken und Pensionsverpflichtungen aufkaufen werden – ein Zirkelschluss, der nur durch frisches Geld am Leben erhalten wird.
Hingewiesen sei auch auf den massiv umverteilenden Cantillion-Effekt: Am meisten profitieren von dem frischen Geld stets diejenigen, die nah an der Quelle der Emission sitzen, und das ist ausgerechnet der institutionelle Finanzsektor. Kommt das Geld irgendwann im Privatsektor an, sind es dort die Vermögenden, die über Aktien- und Immobilienbesitz ihren Schnitt machen. Doch fällt dieser hübsche Profit wie Manna vom Himmel? Nein, denn den Preis der längst galoppierenden Asset Inflation an allen Märkten bezahlen schon heute Krankenschwester und Autoschlosser, deren Lebensversicherungen ständig niedriger rentieren und die sich schon jetzt beispielsweise nie mehr werden Wohneigentum von ihrer eigenen Hände Arbeit leisten können (zumindest wenn ihre Heimatstadt eine attraktive ist). Dass ausgerechnet die Sozialdemokratie, die diese Politik in weiten Teilen mitträgt, sich gleichzeitig öffentlichkeitswirksam für kosmetische Gegenmaßnahmen à la Mietpreisbremse stark macht, ist nur noch zynisch.
Doch dabei könnte QE eigentlich das richtige Werkzeug gegen Staatsschuldenkrisen sein, wenn, ja wenn denn die damit teuer, sehr teuer gekaufte Zeit von der Politik für ein nachhaltiges Sanieren und Zurechtstutzen der realwirtschaftlichen Fehlstrukturen genutzt würde. Doch das genaue Gegenteil ist in Europa der Fall – mit dem immer billigeren Geld werden immer neue Fehlallokationen erzeugt. Mit dem Niedrigzins kann über grotesk billiges Eigen- oder Fremdkapital mittlerweile fast alles und jedes am Leben erhalten werden.
Es sei noch zu den Aussagen des Prof. Burghof im heute-journal ergänzt, dass die für das QE nötigen Mittel den Staaten geschenkt werden, nicht mehr und nicht weniger! Zinsen fallen ja angesichts der „EZB-Vorarbeit“ keine mehr an, und die Rückzahlung kann man faktisch auch vermeiden. Dies kann auf drei – möglicherweise kombinierbare – Arten geschehen. Erstens: die Staaten emittieren Govies überlanger Laufzeit (100 oder 200 Jahre). Zweitens: Auslaufende Anleihen werden zur Tilgung direkt durch neu emittierte ersetzt. Drittens: Irgendwann werden die EZB-Bestände einfach abgeschrieben, und fertig (Proteste von Ordnungspolitkern oder deutschen Notenbankern lächelt ein Draghi dann einfach weg).
Einziger, aber winzig kleiner ordnungspolitischer Trost: Die EZB plant Staatsanleihen nach EZB-Anteilen zu kaufen, Deutschland bekommt also sein Stück von dem giftig-süßen Kuchen ab. Einseitig die Südstaaten mit dem frischen Geld zu versorgen, dafür fehlte dann wohl selbst einem Mario Draghi die Chuzpe. Aber vielleicht kommt das ja noch.
FAZ (17. Januar): „Weichwährung Euro.“
Der volkswirtschaftliche Laie (als auch der geneigte Interessenvertreter) sieht eine weiche Währung zumeist pauschal als Wettbewerbsvorteil an – da ja mutmaßlich die heimische Exportwirtschaft fördernd. FAZ-Herausgeber Holger Steltzner, einer der klarsten ökonomischen Köpfe in der deutschen Medienlandschaft, räumt mit diesem weit verbreiteten Fehlglauben auf. Weitere Gegenargumente zu dieser interessengetriebenen Sichtweise finden sich auch im Off Topic der Presseschau vom 7. Februar 2014.
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