Jeden Freitag bringt Leiter-bAV.de eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Milliarden-Zeitbombe, doch ewig lockt der Tankgutschein.
Welt.de (24. Februar): „Deutsche Firmen sitzen auf Milliarden-Zeitbombe.“
Die Welt mit einem alarmierenden Beitrag, der die mögliche und eine tatsächliche Pleite von Unternehmen infolge ihrer Pensionsverpflichtungen ins Spiel bringt. Ob es im größeren Stil so schlimm kommt, wird man sehen (es sei allerdings an die nachhinkende Entwicklung des HGB-Zinses erinnert). Doch zeigt sich hier exemplarisch, welche wahrhaft zerstörerischen Folgen der Niedrigzins auch auf die Realwirtschaft hat – und das, obwohl die bilanzielle Diskontierung keinerlei Auswirkung auf die am Ende zu zahlenden Renten hat. Wie dem auch sei, bedanken können sich alle Beteiligten nicht nur, aber vor allem bei Mario Draghi und denen, die ihn ins Amt gebracht haben und ihn gewähren lassen.
FAZ (23. Februar): „Erwartungen von Arbeitnehmern – Keine Gehaltserhöhung, neue Stelle.“
Wer Studien und Umfragen mag, wird hier fündig, wenn es ihm um die Erwartungen von Arbeitnehmern und um Mitarbeiterbindung geht. Bemerkenswert jedoch vor allem: Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland sieht sich offenbar mit beispielsweise einem arbeitgebergesponsorten Rivalen namens „Tankgutschein“ konfrontiert. Das sagt auch etwas über den Stellenwert aus, den die bAV im Denken der Deutschen einnimmt.
Zitierwürdig auch diese Passage aus dem Beitrag:
„Besonders größere Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern [haben. sic] dies bereits erkannt. 41 Prozent der Angestellten in diesen Unternehmen erhalten beispielsweise eine betriebliche Altersvorsorge oder ein Jobticket für den öffentlichen Nahverkehr.“
Nur 41 Prozent Durchdringung (oder Jobticket) bei Unternehmen größer 1.000 MA? Der Statistiken und Schätzungen hierzu gibt es viele, aber dies hier wäre ein bemerkenswert schlechter Wert, so er denn der Realität entspricht.
Welt.de (22. Februar): „Lebensversicherte erleben ein böses Erwachen.“
Nicht nur die bAV hat schlechte Presse, auch die LV, bei der das Leiden infolge der Niedrigszinspolitik noch unmittelbarer sichtbar wird. Erneut ist es die Welt, die hier die Problematik mit deutlichen Worten thematisiert, nämlich dass unter Umständen – auch wegen der Kosten – nicht mal die eingezahlten Beiträge erwirtschaftet werden.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Zeit.de: (25. Februar): „Bericht: Koalition rechnet mit dritten Griechenland-Paket ab Juli.“
Neverending Story… Alles deutet darauf hin, dass es mit Griechenland weiter geht wie gehabt. Die – man muss es wohl so nennen – Unterwürfigkeit, mit der die deutschen Medien noch in der Vorwoche die angebliche Härte des Wolfgang Schäuble in der Griechenlandfrage bejubelt haben, hat weniger erstaunt als enttäuscht. Dabei war zu erwarten, dass Schäuble erneut das Verhaltensmuster zeigt, das er in dieser Krise bisher stets an den Tag gelegt hat: Erst medienwirksam Härte markieren, um dann doch jedesmal einzuknicken. Dies ist offenbar auch derzeit nicht anders, in der Meldung ist bereits die Rede von einem dritten Griechenlandpaket. Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass Schäuble völlig außerstande ist, der Entwicklung eine Wende zu geben – er ist nichts als Getriebener fremder Interessen und Gefangener des eigenen Handelns zugleich. Gut, vielleicht kann er nicht anders. Aber dann sollte er nicht immer so tun als ob.
Und die griechischen Linkspopulisten? Können sie die Entwicklung als Erfolg feiern? Kurzfristig ja. Doch mache man sich auch in Athen nichts vor: Griechenland unternimmt vieles in dieser Krise – aber nichts, um den zwar mühsamen, aber einzig zukunftsträchtigen Weg hin zu einer halbwegs wettbewerbsfähigen Industrienation einzuschlagen. Und im digitalen Zeitalter läuft die Frist ab, innerhalb derer das Land noch Zeit hat, wieder zu einem souveränen, unabhängigen Land zu werden. Doch wie die Vorgängerregierungen zementieren auch die Linkspopulisten – auf ihre Art und Weise – den Weg Griechenlands hin zu einem nachhaltigen Almosenempfänger – eine Rolle, aus der das Land möglicherweise nicht weniger als niemals wieder herausfinden wird.
Sprach man mit Griechen vor der Wahl, konnte man sich ein Bild davon machen, dass auch viele nicht-linke Griechen für die Syriza stimmen wollten, da sie mit der establishmentfernen Partei die verzweifelte Hoffnung auf einen Neuanfang, ein echtes Großreinemachen und ein hartes Abschneiden der alten Klüngel-Zöpfe verbanden – in der Tat wäre die Entwicklung einer echten Good Governance eine von mehreren Grundvoraussetzungen zu einer Gesundung des Landes. Doch sieht man sich die jüngsten Meldungen aus Hellas an, ist das genaue Gegenteil der Fall – Syriza übt sich in der Rolle rückwärts, auf das bloß alles so bleibe wie es ist. Offenbar bestätigt sich nun auch in Griechenland – ähnlich wie beispielsweise in Venezuela – dass Linkspopulisten am Ende des Tages nicht progressiv sind, sondern in erster Linie eines: struktur-reaktionär.
Schließlich tritt mit dem „weiter so“ in Sachen Griechenland für ganz Europa das Problem des Moral Hazard hinzu, just sich ausprägend in der Verlängerung der Frist bis 2017, die die Com soeben Frankreich zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien gewährt hat. Besonders in Riga, Lissabon und Dublin dürfte man die Entwicklung aufmerksam verfolgen und das eigene Handeln überdenken.
Aufschlussreich zur Beurteilung der Lage wie immer Professor Hans-Werner Sinn, hier in einem Interview mit dem Focus vom 25. Februar.