Jeden Freitag bringt LEITERbAV eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Autobahn.
ZDF Frontal 21 (12. Juli): „Bessere Altersvorsorge im Betrieb – Wer soll das bezahlen?“
Zunehmend kristallisieren sich Einzelheiten heraus, wie die geplante Reform der bAV aussehen könnte, so beispielsweise in diesem sehenswerten Beitrag des ZDF. Die Sendung reisst erfreulicherweise auch an, dass auch bei den Arbeitgebern Beiträge zur bAV nicht vom Himmel fallen, sondern im operativen Geschäft mühsam erwirtschaftet werden müssen (illustriert am treffenden Beispiel der prekären Sicherheitsbranche).
Außerdem werden vor allem die Zuschussideen des BMF thematisiert. Und die Befürchtungen, die Axel Kleinlein vom BdV in dem Beitrag äußert, sind dabei mehr als berechtigt:
„Die Schäuble-Ideen sind im Grunde genommen eine Art Neuauflage dessen, was wir bei Riester schon vergeblich versucht haben. Hier sollen Steuergelder in Produkte gezahlt werden, wo die Produkte aber schlecht sind. Nicht das System, nicht die Rahmenbedingungen sind problematisch, sondern die Instrumente, mit denen angespart werden soll. Das ist wie bei einer Autobahn, als würden sie die Leitplanken erneuern, aber die Schlaglöcher nicht ausbessern.“
Nun, Autobahn-Vergleiche sind hierzulande so eine Sache, hier ist er aber ebenso unverfänglich wie angebracht: Neuauflage der Riester-Reform in der bAV? Da müssen alle Alarmglocken angehen. Man stelle sich nur vor, das sich im BMF nun abzeichnende Zuschussmodell würde eine bAV-angepasste Kopie des gescheiterten, 15 Jahre alten Riester-Modells der dritten Säule werden: eine (struktur-) vertriebsgetriebene, individualistische Versicherungslösung, die ihre halbwegs brauchbare Performance nur daraus zieht, dass sie mit Steuermitteln alimentiert wird. Man sollte eigentlich erwarten können, dass die deutsche Politik die Fehler der Riester-Reform nie nie niemals wiederholen würde. Doch sicher sein kann man da nicht, diese Bundesregierung ist schließlich auf allen Politikfeldern – und so auch auf dem dem Altersversorgung – immer für böse Überraschungen aller Art gut.
Für Kassandra kann kein Zweifel bestehen: Will Deutschland in diesen ohnehin schwierigen Jahren endlich mit viel Verspätung zu einer Reform der bAV kommen, die eine echte Weiterentwicklung einleitet, dann gibt es nur zwei Plattformen, auf denen das geschehen kann:
Die eine sind überbetriebliche, im besten Falle tariflich von den Sozialpartnern (mit-)verwaltete Pensionseinrichtungen, die andere sind unternehmenseigene Einrichtungen der bAV! Dies versehen mit einem eigenen, strikt Solvency-II-fernen Aufsichtsrecht, mit zeitgemäßen Bedeckungs- und Anlagevorschriften, mit professionellem und Sachwerte-orientiertem Asset Management, mit dem Verbot von Vertriebsstrukturen, mit wirklich substantiellen Fördertatbeständen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit der Befreiung von unangemessen Sozialversicherungsbeiträgen und schließlich mit der Abkehr von anachronistischen Garantiemodellen hin zu Defined Ambition – dann, und nur dann hätte Deutschland eine reale Chance.
Alle anderen, kleinteiligen Lösungen werden keinen Erfolg zeitigen, wie man dann nach einigen verlorenen Jahren würde kleinlaut einräumen müssen. Geschichte wiederholt sich zuweilen. Skepsis bleibt.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Spiegel.de (15. Juli): „Anschlag in Nizza: Lastwagen rast in Menschenmenge – mindestens 84 Tote.“
Brüssel, Orlando, mehrfach Paris, mehrfach Istanbul und nun Nizza – die Kette der Anschläge auch im Westen reisst nicht ab, die Abstände werden kürzer, und es steht zu befürchten, dass sich dieser Trend fortsetzen und dabei verstärken wird. Eine Gegenstrategie der Europäer ist nicht erkennbar, im Gegenteil ist doch ihr Aktionismus vor allem von Hilflosigkeit gekennzeichnet.
Die islamistischen Terrorstrukturen dieser Jahre sind durch ihre dezentralen Strukturen gekennzeichnet; Hierarchien, Verbindungen und Kommunikationsstränge gibt es so gut wie keine, das System setzt vor allem auf Nachahmungseffekte. Das macht Gegenmaßnahmen nicht einfacher. Besonders zu denken geben muss daher, dass nun ein großer Anschlag nicht mit Bomben oder Sturmgewehren, sondern mit einem so schlichten Alltagsgegenstand wie einem LKW durchgeführt worden ist. Dies dürfte auf diejenigen potentiellen Nachahmungstäter, für die die Beschaffung oder Entwicklung militärischer Mittel unmöglich ist, eine üble Anziehungskraft ausüben.
Im übrigen dürfte die Grausamkeit und die schnelle Folge der Anschläge, gepaart mit der Hilflosig- und Ungeschicklichkeit der Regierung in Frankreich, politische Implikationen auslösen, deren Ausmaße noch nicht abschätzbar sind. 2017 finden bekanntlich Präsidentschaftswahlen in Frankreich statt, und wenn die sicherheitspolitische Lage weiter so eskaliert, kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass das politische Establishment (vor allem in Brüssel und Berlin) nach dem überraschenden Brexit-Ergebnis erneut sein blaues Wunder erleben wird.