Jeden Freitag bringt Leiter-bAV.de eine kommentierte Presseschau zur bAV. Heute: Keine Exit-Strategie außer einer – der terminalen.
FAZ (10. März): „Geldpolitik EZB erhöht Strafzinsen und steigert Anleihekäufe.“
Jedem, vor allem jedem institutionellen Investor, muss endgültig klar sein: Aus dieser Geldflut gibt es keinerlei Exit-Strategie außer der des terminalen Währungszusammenbruchs. Das muss nicht morgen und übermorgen passieren und auch nicht in den nächsten 20 oder 30 Jahren – das beweist auch das Beispiel Japan. Dies gilt verstärkt, weil die durch QE aufgekauften Govies niemals fällig gestellt, sondern eines Tages schlicht abgeschrieben werden dürften. Doch der seinerzeitige Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer Satelliten hat ein wichtiges Gesetz des Politischen gezeigt: Systeme sind viel, viel länger stabil, als man denkt – doch wenn sie zusammenstürzen, dann innerhalb von Monaten, wenn überhaupt.
Am Ende gibt es im Euro-Raum nur zwei Möglichkeiten: Entweder bleiben die Zinsen für alle Ewigkeiten niedrig, um so die von Draghi zementierten und neu induzierten Fehlallokationen ständig neu zu refinanzieren – wohl eine völlig irreale Vorstellung. Oder die zweite Möglichkeit: Früher oder später müssen die Zinsen steigen, spätestens wenn die Instrumente der Notenbanken stumpf werden. Dann jedoch werden die aufgelaufenen Fehlallokationen in Finanz- und Realwirtschaft reihenweise insolvent werden – mit allen Folgen für Wachstum und Stabilität. Was Draghi verweigert, ist die Erkenntnis, dass die Krise in einer modernen Volkswirtschaft nicht Teil des Problems, sondern Teil der Genesung ist – eben um durch zu billiges Geld angeregte Fehlallokationen wieder zu entfernen. Je länger er diese Einsicht in Europa unterbindet, um so stärker wird sich die unterdrückte Krise daher eines Tages durchsetzen.
Erinnert sich denn eigentlich noch jemand daran, dass die Lunte dieser Krise nicht durch zuwenig, sondern durch zuviel billiges Geld gelegt wurde? Dass das billige Geld finanz- wie realwirtschaftliche Fehlentwicklungen verfestigt, ja weiter fördert? Dass die Notenbanken umso mehr Gefangene des eigenen Handelns werden, je mehr sie ebensolche Strukturen schaffen, die sie ohne neue Krise nie mehr schleifen können? Dass Altersvorsorgeeinrichtungen weltweit unter immer stärkeren Druck geraten? Dass nun auch gesunde Unternehmen über ihre Pensionsverpflichtungen unter Insolvenzdruck geraten? Dass die Zahnpasta also dauerhaft aus der Tube bleibt? Bleiben muss? Dass so die Fallhöhe ständig weiter zunimmt? Dass keiner auf diesem Planeten irgendeine ernsthafte Idee hat, wie man aus der Sache jemals wieder geordnet rauskommt?
All das scheint dem Italiener gleichgültig: Vordergründig muss für die immer perverser werdende Geldflut stets irgendein ordnungspolitisches Argument herhalten, das gar nicht geldpolitikfähig sein sollte, seien es die zu hohen Zinsen für die Krisenstaaten (die sich trotz ihrer realwirtschaftlichen Malaise längst wieder zur historischen Mini-Zinsen weiter verschulden können), sei es die angeblich zu geringe Kreditvergabe der Banken (kein Wunder, dass diese mit dem kostenlosen EZB-Geld eben lieber die mit dem Draghi-Put ausgestatteten Govies der Südstaaten kaufen statt sich mit den Mühen und Risiken des Kreditwesens abzugeben), sei es die angeblich zu geringe Inflation (während in der Realität die Asset Inflation Assetklasse um Assetklasse explodieren lässt). Nein, das ist alles vorgeschoben. Draghi will auch nicht per QE der Politik (teure) Zeit kaufen, damit diese die Möglichkeit hätte, ihre Volkswirtschaften zu reformieren (was der ordnungspolitisch einzig vertretbare Sinn von QE wäre).
Er will etwas ganz anderes: Indem er den Regierungen mit dem Gelddrucken über alle Kanäle – Leitzins, ELA, Anfa, QE, Target-2, Dicke Bertha – für immer mehr Geld immer weniger Zeit kauft, erreicht er, dass in den Krisenstaaten alles weiter gehen kann wie bisher. Er will vor allem deren marode, überdimensionierte Bankstrukturen um jeden Preis am Leben erhalten (man denke nur an die sich derzeit wieder zuspitzende Lage der italienischen Bankenlandschaft) und die Regierenden dort von zuviel Druck zu Reformen befreien. Dazu poolt er hemmungslos die Schulden und Risiken der Krisenstaaten mit denen der noch halbwegs gesunden Nord- und Mitteleuropäer und nutzt dazu das Werkzeug, das man ihm fahrlässigerweise in die Hand gegeben hat – die gemeinsame Währung. Es kümmert offenbar kaum noch jemand, dass sich Europa damit währungspolitisch sein eigenes Grab schaufelt, dass der Euro dieser Ausweitung dauerhaft nicht standhalten kann, dass die europäischen Staatsschulden durch die „Rettungspolitik“ bereits jedes bekannte Maß übersteigen, dass keinerlei realwirtschaftliche Weiterentwicklung mehr erfolgt, dass Deutschland sich dekapitalisiert und der Süden deindustrialisiert, dass besonders dort ganze Generationen von jungen Menschen ihre Zukunft verlieren und die Völker sich untereinander zunehmend entfremden – und dass diese ausweglose geldpolitische Strategie in einer Zeit durchgezogen wird, in der die politischen Pulverfässer in Form von Kriegen, Konflikten und Failed States geographisch näherrücken und an Brisanz ständig zulegen.
Und die Märkte? Der Niedrigzins geht bekanntlich mit einer Manipulation praktisch aller relevanten Märkte in Richtung Asset Inflation einher – seien es Aktien, Real Estate, Alternatives oder vor allen Dingen Bonds. Folge ist, dass für VAG-Anleger und EbAV die Frage der Wiederanlage immer kritischer wird und HGB- wie IAS-19-Bilanzierer über den ständig sinkenden Diskontsatz ihrer Pensionsverpflichtungen unter Druck geraten. Teil der Wahrheit ist übrigens auch, dass jedes halbwegs gesunde Großunternehmen Fremdmittel – beispielsweise zur Ausfinanzierung – zu lächerlich geringen Konditionen am Kapitalmarkt aufnehmen kann; wie im DAX an prominenter Stelle vor einiger Zeit geschehen. Das gilt umso mehr, als Draghi nun erstmals neben Govies auch Corporates aufkaufen will. Der niedrige Zins hat also eine mehrfach janusköpfige Wirkung auf die Pensionslasten eines Unternehmens.
Interessant aber auch die Reaktion die Märkte am gestrigen Donnerstag. Nachdem Draghi über die Erwartungen der Analysten noch hinaus gegangen ist, kam es zunächst zum Erwartbaren, nämlich einem stark nachgebenden Euro und anziehenden Aktien. Dann jedoch nachmittags die überraschende Wende – der DAX stürzte in die roten Zahlen, der Euro zog nicht zuletzt zum Dollar massiv an. Das roch alles schon nach Short Squeeze – und danach, dass die Märkte die Erwartungen der Notenbank keinesfalls immer erfüllen (und das vielleicht in Zukunft immer weniger tun werden)
Erneut sei betont, dass es heute einen wesentlichen Unterschied zu dem Krisenausbruch 2007 gibt: Damals hatten die Notenbanken, als die Krise mit Wucht einsetzte, angesichts des noch halbwegs auskömmlichen Leitzinsniveaus die Möglichkeit der echten geldpolitischen Lockerung. Die haben sie heute nicht mehr! Denn nachdem man sich ab 2007 entschlossen hat, eine durch zu viel und zu billiges Geld entstandene Krise durch noch mehr und noch billigeres Geld zu bekämpfen (also dem Alkoholiker Schnaps zu geben) und damit in völliger Hemmungslosigkeit das Ziel zu verfolgen, den Reformbedarf zu verschleiern und damit die Fallhöhe zu steigern, haben die Notenbanken bis heute ihr Pulver schlicht verschossen. Wollten sie in einer weiteren echten Krise diese Politik fortsetzen, würden die Geldmengen, die sie die Hand nehmen müssten, Größenordnungen annehmen, die nichts anderes bedeuten könnten als den Währungsverfall – mit allen Folgen nicht nur für die Realwirtschaft, sondern auch für Wohlstand, Demokratie, Frieden und Freiheit.
OFF TOPIC – TO WHOM IT MAY CONCERN
Spiegel.de (5. März): „Rohstoffe aus Krisenregionen: Schmutziges Gold.“
Kassandra hat vor ein paar Wochen den Verdacht geäußert, dass die von der Bundesregierung mit merkwürdigem Timing ins Spiel gebrachte Begrenzung des Bargeldverkehrs das Ziel haben könnte, auf breiter Front Negativzinsen durchzusetzen. Zu wohl orchestriert schien der Vorstoß mit den Überlegungen der EZB, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, und mit der Maßnahme der BoJ zu Negativzinsen.
Doch will man den Negativzins wirklich auf breiter Front durchsetzen, dann muss man beizeiten die Exit-Strategien verbauen, und dazu würde auch ein Goldverbot gehören (so wie es in den USA von 1933 bis 1974 in sehr strikter Form in Kraft war).
Dass nun derartige Berichterstattung wie oben verlinkt in den Massenmedien auftaucht – frei nach dem Motto „Gold ist böse, Gold ist pfui, Gold ist wie Bargeldzahlung“ – könnte glauben machen, dass hier gerade eine konzertierte Kampagne läuft.
Übrigens: Eine schon ältere, aber kluge Interpretation der Funktion des Goldes und warum es vielen ein Dorn im Auge ist, findet sich in dem Beitrag „Gold and Econmic Freedom“, ausgerechnet von Alan Greenspan – leicht im Netz zu finden.