Und dann? Der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung kann in der bAV zu konträren Entwicklungen führen, wie ein Consultant ausführt. Konkret kann es zu einer Überschneidung von Leistungs- und Anwartschaftsphase kommen – mit unerwünschten Auswirkungen auf die Betriebsrenten. Kündigt sich hier neuer Stoff für die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit an?
Nimmt ein Arbeitnehmer eine vorgezogene gesetzliche Altersrente in Anspruch, kann er grundsätzlich auch bAV-Leistungen beanspruchen. So weit, so gut.
Jedoch kann nun der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze in der GRV seit 1. Januar − je nach Gestaltung der Versorgungszusage − dazu führen, dass Arbeitnehmer eine vorgezogene Versorgungsleistung beziehen und gleichzeitig aufgrund ihrer Weiterbeschäftigung in Voll- oder Teilzeit weitere Anwartschaftszuwächse erwerben. Dadurch können sich Auswirkungen ergeben, die bei der Erteilung der Zusage so nicht absehbar waren und im ungünstigen Fall zu Auseinandersetzungen führen. Darauf weist die Heubeck AG in einer Mitteilung hin. Im Einzelnen:
Altersrente ohne Hinzuverdienstgrenzen
Nach dem Betriebsrentengesetz kann ein Arbeitnehmer, der die GRV-Altersrente als Vollrente in Anspruch nimmt, nach Erfüllung der Wartezeit und sonstiger Leistungsvoraussetzungen auch die Zahlung einer ihm zugesagten betrieblichen Altersleistung verlangen.
Bislang war der Bezug einer GRV-Altersrente als Vollrente vor der Regelaltersgrenze nur möglich, wenn die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wurde. Seit Jahresbeginn können nun aber vorgezogene gesetzliche Altersrenten unabhängig von einem Hinzuverdienst als Vollrente in Anspruch genommen werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich bei Weiterbeschäftigung und gleichzeitigem Bezug einer gesetzlichen Vollrente wegen Alters zum einen die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe in diesem Fall auch eine vorgezogene betriebliche Altersleistung zu gewähren ist. Denn ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist jedenfalls nach § 6 BetrAVG nicht ohne weiteres für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersleistung erforderlich. Es hängt damit auch von der Ausgestaltung der Versorgungszusage ab, ob diese den Bezug einer betrieblichen vorgezogenen Altersleistung trotz Weiterbeschäftigung wirksam ausschließt oder begrenzt.
Als „Stellschrauben“ in der Zusage kommen laut Heubeck insb. in Betracht:
▪ Beendigung des Arbeitsverhältnisses und/oder Wegfall von Entgelt und Entgeltersatzleistungen als Leistungsvoraussetzung
▪ Anrechnung anderweitigen Erwerbs auf die vorgezogene betriebliche Altersleistung
Zum anderen ist es − je nach Gestaltung der Versorgungszusage − denkbar, dass der Versorgungsberechtigte für die Zeiten der Weiterbeschäftigung Zuwächse in der bAV erdient. Sofern eine Weiterbeschäftigung den gleichzeitigen Bezug einer vorgezogenen betrieblichen Altersleistung nicht ausschließt, ergeben sich Folgefragen insbesondere zur Höhe dieser Anwartschaftszuwächse.
Das VAG mischt sich auch noch ein
Pensionskassen haben zudem aufsichtsrechtlich zu beachten, dass sie „grundsätzlich“ Leistungen nur bei Wegfall des Erwerbseinkommens oder anteilige Leistungen bei teilweisem Wegfall des Erwerbseinkommens vorsehen dürfen (§ 232 VAG).
Betroffen sind also Arbeitgeber, die eine bAV unmittelbar zugesagt haben oder gestalten möchten, ebenso wie Versorgungsträger in den mittelbaren Durchführungswegen.
Was tun also? Heubeck empfiehlt, im Hinblick auf bestehende sowie neu zu gestaltende betriebliche Versorgungssysteme das Zusammenwirken von Weiterbeschäftigung und vorzeitiger betrieblicher Altersleistung im Detail zu analysieren und mit den Zielen des Arbeitgebers abzugleichen. Bei Versorgungszusagen sollte insb. der Fall des Bezugs einer vorgezogenen betrieblichen Altersleistung bei gleichzeitiger Weiterbeschäftigung klar geregelt sein, um spätere Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Berechtigtem zu vermeiden. Versorgungseinrichtungen wiederum sollten prüfen, ob in der Satzung oder den AVB Änderungsbedarf besteht.

Liest man die Aussagen des Consultants, dann klingt das alles danach, dass die bAV wie so oft mal wieder als übersehener Beifang von einer Neureglung betroffen ist, die sich angesichts der Langfristigkeit und der rechtlichen Komplexität der bAV erneut als schwer händelbar herausstellen könnte. Möglicherweise werden in einigen Jahren die ersten Fälle bei den Arbeitsgerichten aufschlagen.
Übrigens wird die Sache noch komplexer, wenn es um die Betriebsrenten von GGF geht, v.a. wenn sich die allseits beliebte vGA hinzugesellt. Hiermit mussten sich bereits zahlreiche Finanzgerichte befassen.