Mit dem BRSG wird die Absicherung der Invalidität in der deutschen bAV mehr Bedeutung erfahren. Ulrich Pasdika erläutert, wie eine Absicherung der Invalidität unter einem Garantieverbot umgesetzt werden kann.
Für viele Arbeitnehmer, die bislang über keine ausreichende Arbeitskraftabsicherung verfügen, bietet sich demnächst eine neue Perspektive – und diese Perspektive heißt Betriebsrentenstärkungsgesetz. In der kontrovers geführten Debatte zum BRSG ist bislang jedoch viel zu kurz gekommen, dass das Sozialpartnermodell „auch die Chance auf eine (…) Absicherung des Invaliditätsrisikos“ beinhaltet, wie in der Begründung zum Gesetzentwurf hervorgehoben wird.
International gängige Praxis
Das BRSG umfasst neben der Altersrente auch die Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung und sieht dafür ebenfalls das umstrittene Garantieverbot vor. Aus Sicht eines deutschen Versicherers mag eine Invaliditätsversicherung ohne Garantien auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. In vielen internationalen Märkten ist genau dies aber in Form der Gruppenversicherung seit vielen Jahren etablierte Praxis. Dieses Konzept der Gruppenversicherung bietet sich für die praktische Umsetzung der Absicherung des Invaliditätsrisikos im Sozialpartnermodell an.
Den Tarifpartnern eröffnet sich also erfreulicherweise die Möglichkeit, die Arbeitskraftabsicherung der Arbeitnehmer deutlich auszubauen. Egal ob Arbeitnehmer kerngesund sind, erhebliche Vorerkrankungen haben oder hohe Berufsrisiken aufweisen – im Rahmen einer Gruppenversicherung können sie alle gegen das Risiko des Verlusts der Arbeitskraft versichert werden.1
Darüber hinaus werden mit dieser Absicherungsform auch solche Arbeitnehmer erreicht, die sie sich selber gar nicht mit dem Thema beschäftigen wollen und nicht aktiv um Versicherungsschutz bemühen.
„Echte“ Gruppenversicherung – Ausgestaltung und Kalkulation
Die Gruppenversicherung steht zwischen dem reinen Umlageverfahren und der vollständigen Kapitaldeckung. Die Prämien für die jeweilige Gruppe (z.B. eine Belegschaft) werden einjährig so berechnet, dass daraus für alle neuen Leistungsfälle dieses Jahres die voraussichtlichen künftigen Leistungszahlungen finanziert werden können. Jeder Leistungsfall wird also bei Anerkenntnis vollständig ausfinanziert, indem eine Reserve in Höhe der künftigen Leistungszahlungen gestellt wird. Die Prämien werden häufig nach einem pauschalen Verfahren auf alle Beschäftigten umgelegt, so dass für jeden Arbeitnehmer z.B. ein fester Prozentsatz des monatlichen Gehalts als Prämie zu entrichten ist.
Die jährliche Neuberechnung der nicht garantierten Prämien findet im Rahmen der sogenannten Erneuerung statt. Dafür stellt der Arbeitgeber dem Versicherer eine Liste mit Angaben beispielsweise zu Gehalt, Geburtstag, Geschlecht und Beruf bzw. Berufsgruppe der einzelnen Arbeitnehmer zusammen. Der Versicherer nutzt diese Angaben in Verbindung mit einer Analyse der bisherigen Schadenerfahrung für die Berechnung neuer Prämiensätze für das nächste Jahr. Diese Sätze können höher oder niedriger als im Vorjahr ausfallen.
Häufig findet bei der Erneuerung eine Ausschreibung statt, in der verschiedene Versicherer Angebote für die nächste Deckungsperiode abgeben können. Die Gruppen wandern also mitunter von Versicherer zu Versicherer. Überschussbeteiligung ist in der Gruppenversicherung unüblich, da durch die einjährigen Deckungsperioden und die Möglichkeit des Wechsels des Versicherers der Ausgleich in der Zeit nicht gewährleistet ist. War ein Jahr für den Versicherer besonders schadenträchtig, hat er möglicherweise nicht die Chance auf ausgleichende Erträge in künftigen schadenarmen Jahren, denn die Gruppe ist dann unter Umständen schon bei einem anderen Versicherer versichert. Durch das Instrument der Ausschreibung sind für die Gruppe aber auch ohne Überschussbeteiligung jederzeit wettbewerbsfähige zu zahlende Prämien gewährleistet. Wegen der einjährigen Kalkulation können die Versicherer außerdem knappere Sicherheitsmargen als bei langfristigen Garantien ansetzen.
Ist ein Arbeitnehmer einmal in der Gruppe versichert, verbleibt er dort in der Regel dauerhaft, solange die allgemeinen Voraussetzungen für die Gruppendeckung gegeben sind (z.B. angestellt bei einem bestimmten Arbeitgeber oder beschäftigt in einer bestimmten Branche).
Einfache Prozesse durch regelbasierte Ansätze
Neu in die Gruppe hinzukommende Arbeitnehmer werden nach einem sehr einfachen Listenverfahren aufgenommen. Bis zu einer für jede Gruppe festgelegten maximalen automatischen Deckungssumme werden diese Arbeitnehmer ohne Gesundheitsprüfung gedeckt, wenn sie zu diesem Zeitpunkt ohne Einschränkungen ihrer üblichen Tätigkeit nachkommen können. Die maximale automatische Deckungssumme wird so definiert, dass das Gros der Arbeitnehmer keine Gesundheitsprüfung durchlaufen muss. Je größer die Gruppe ist, desto höher kann die automatische Deckungssumme angesetzt werden.
Typischerweise gilt die automatische Deckung jedoch zumindest nicht für die Mitglieder der Geschäftsführung, da sie über die Konditionen für die Gruppenversicherung entscheiden und dabei Eigeninteressen verfolgen könnten. Außerdem könnte ein einzelner Leistungsfall aus dieser Personengruppe häufig die Profitabilität der gesamten Gruppe für den Versicherer gefährden.
Eine finanzielle Risikoprüfung ist nicht erforderlich, da die versicherte Invalidenrente für jedes Gruppenmitglied einer festen Formel (z.B. Prozentsatz Gehalt) folgt. Um subjektiven Risiken bei bestehenden anderen Absicherungen oder sogar Überversicherung zu begegnen, ist die Anrechnung von anderen Einkommensarten im Invaliditätsfall weit verbreitet.
Auch die Leistungsprüfung stellt sich einfacher als bei Individualgeschäft dar und beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Anmeldung zur Gruppenversicherung und die Kriterien für den Leistungsfall erfüllt sind. Die weitergehende Prüfung auf Anzeigepflichtverletzung entfällt bei den Versicherten unterhalb der automatischen Deckungssumme.
Damit Invaliditätsgeschäft nach diesem Gruppenkonzept nachhaltig funktioniert, ist eine zentrale Anforderung sicherzustellen: Die Teilnahme muss für alle Arbeitnehmer obligatorisch oder jedenfalls quasi-obligatorisch sein. Die überwältigende Mehrzahl aller Arbeitnehmer muss sich an der Gruppendeckung beteiligen, damit der Ausgleich im Kollektiv funktionieren kann und Anti-Selektion (z.B. durch eine überproportionale Beteiligung von Arbeitnehmern mit deutlich erhöhtem Risiko) vermieden wird. Dann sind auch Arbeitnehmer selbst mit schweren Vorerkrankungen versicherbar, solange sie zum Zeitpunkt der erstmaligen Anmeldung zur Gruppenversicherung uneingeschränkt arbeitsfähig sind. Ihr überdurchschnittliches Invaliditätsrisiko wird durch genügend Arbeitnehmer mit günstigerem Risikoprofil ausgeglichen.
Fazit – Invaliditätsdeckung mit Garantieverbot ist machbar
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Gruppenversicherung nach internationalem Vorbild die Anforderung des Garantieverbots erfüllt und zahlreiche Vorteile für die Versicherung des Invaliditätsrisikos im Rahmen des Sozialpartnermodells bietet. Es sind wesentlich mehr Personen versicherbar als im Einzelgeschäft. Viele Vorerkrankungen, risikoreiche Berufe und auch vielfältige private Hobbies der Arbeitnehmer sind bei geeigneter Ausgestaltung ohne weiteres versicherbar, ganz ohne Risikoprüfung.
Die Versorgung der Arbeitnehmer mit Arbeitskraftabsicherung kann so in Zukunft deutlich ausgeweitet werden. Gleichzeitig können neue Zielgruppen für die Versicherungswirtschaft erschlossen werden. Das Konzept eliminiert weitgehend die Anti-Selektion, unter anderem durch homogene, regelbasierte Versicherungssummen. Dies ermöglicht kostengünstige Angebote für die Tarifpartner.
Auch wenn das BRSG zentrale Rollen für die Tarifpartner vorsieht, so eignet sich das Gruppenkonzept grundsätzlich dennoch für kleine und mittelständische Unternehmen. Hier kann die Einrichtung überbetrieblicher Lösungen vorteilhaft sein. In vielen Fällen ist aber auch die einzelne Absicherung kleinerer Belegschaften in einer Gruppenversicherung möglich.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz mit seinen Neuerungen wird auch nach seiner Verabschiedung noch für viel Gesprächsstoff und Diskussionen sorgen. Für alle Beteiligten, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die Tarifpartner und nicht zuletzt die Versicherungswirtschaft ist die Deckung von Invaliditätsrisiken als ein Pluspunkt der Reform zu werten. Die auf den ersten Blick ungewöhnlichen Rahmenbedingungen sind bei Orientierung an dem vorgestellten international bewährten Gruppenkonzept beherrschbar. Damit besteht die Chance auf neue Impulse für die Arbeitskraftabsicherung der Arbeitnehmer in Deutschland.
Der Autor ist Generalbevollmächtigter Life/Health Germany and Life/Health Research & Development der Gen Re in Deutschland.
FN 1) Die Versicherbarkeit von Personen mit hohem Invaliditätsrisiko hängt im Einzelfall von der genauen Ausgestaltung der jeweiligen Gruppendeckung ab.
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