Der Entwurf der BaFin kam seinerzeit sehr plötzlich, und nun präsentiert die Anstalt kurz vor Weihnachten ihr fertiges ESG-Merkblatt. Jüngst also erst Fortschritte bei der EU-Taxonomie, nun das Bafin-Merkblatt – fest steht, dass die ESG-Regulierung offenbar nicht an Fahrt verliert, im Gegenteil.
Ende September hatte die BaFin den Entwurf des Merkblatts zur Konsultation gestellt. Abgesehen von gewissen Unschärfen war die Reaktion des Parketts im Wesentlichen positiv.
Das Merkblatt richtet sich an alle von der BaFin beaufsichtigten Kreditinstitute, Versicherer, KVG Pensionskassen und -fonds sowie an Finanzdienstleistungsinstitute.
Wie die Anstalt erläutert, sind die im Merkblatt aufgezeigten Grundsätze und Prozesse als sinnvolle, aber unverbindliche Verfahrensweisen (Good-Practice-Ansätze) zu verstehen, an denen sich die Unternehmen orientieren können, wenn sie die Nachhaltigkeitsrisiken unternehmensindividuell behandeln.
Dabei übt sich die deutsche Aufsicht offenbar in wohlwollender Zurückhaltung. Jedenfalls betont die Bafin ausdrücklich, dass sie nicht das Ziel verfolge, konkrete Prüfungsanforderungen zu formulieren.
Das Merkblatt bestimmt den Begriff Nachhaltigkeit im Sinne von ESG (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) und geht auf physische und transitorische Risiken ein, die als Faktoren der bestehenden Risikoarten zunehmende Wirkung entfalten können, erläutert die Anstalt weiter. „Wir erwarten, dass die beaufsichtigten Unternehmen sich mit den entsprechenden Risiken strategisch auseinandersetzen“, mahnt Frank Pierschel, Chief Sustainable Finance Officer der BaFin.
Risikomanagement zentraler Punkt
Das Merkblatt beschreibt ausführlich mögliche Risikoidentifikations-, -steuerungs- und -controllingprozesse sowie klassische Methoden und Verfahren in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken. Die Bafin hat sich dabei an der Struktur der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), der Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen (MaGo) und der Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Kapitalverwaltungsgesellschaften (KAMaRisk) orientiert.
Im Weiteren befasst sich das Merkblatt mit Stresstests einschließlich Szenarioanalysen – mit Fokus auf unternehmensindividuellen Tests. Dabei werden auch Transitionsszenarien und Auswirkungsszenarien beschrieben. Externe Stresstests werden hingegen nicht behandelt.
First Mover BaFin
Felix Hufeld demonstriert Obacht: „Wir haben das Merkblatt als nicht rechtsverbindlich angelegt“, so sein Kommentar. Hintergedanke sei, dass derzeit ein Lernprozess stattfinde – für die Aufsicht wie für die beaufsichtigten Unternehmen. „Für uns als Aufsicht war aber wichtig, dass die Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsrisiken schon jetzt angemessen steuern und dabei die Chancen dieser Entwicklung nutzen können“, so der BaFin-Präsident weiter.
Aus genau diesem Grund habe sich die Anstalt auch veranlasst gesehen, die Dinge frühzeitig in die Hand zu nehmen – wohlwissend, dass der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken nach internationalen Lösungen verlangt: „Wir haben schon jetzt Erwartungen formuliert, die sicher in ähnlicher Form via Brüssel in den nächsten Jahren verbindlich gemacht werden“, sagt Hufeld, und gibt sich zurückhaltend diplomatisch: „Möglicherweise dient unser Ansatz ja als Anregung.“
Die Bafin als First Mover im Prozess der Entwicklung der europäischen Regulierung? Da kann man sich als institutioneller Pensions-Investor wohl Schlimmeres vorstellen. Jedenfalls wird im Januar eine englische Übersetzung des Merkblatts erscheinen.
Das Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken der BaFin findet sich hier.
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