Gestern hat die EIOPA die Ergebnisse ihres jüngsten, völlig neu gestalteten Stresstests für fast 190 Pensionseinrichtungen, davon über 20 aus Deutschland, publiziert. Simuliert wurde ein ökonomisch ungeordneter Übergang ins Grüne. Die Behörde vermeidet Alarmismus. Auch die BaFin hat die Ergebnisse bereits kommentiert. Und im Beifang gibt es weitere Resultate.
Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) hat gestern die Ergebnisse ihres Klima-Stresstests 2022 für EbAV veröffentlicht (der der erste seiner Art ist) – und sieht „erhebliche Exposition gegenüber Übergangsrisiken“.
Mit dem ersten Klima-Stresstest des Sektors will die Behörde die Widerstandsfähigkeit der EbAV gegenüber einem Klimawandel-Szenario bewerten, das einen plötzlichen, ungeordneten Übergang zu einer grünen Wirtschaft als Folge der verzögerten Umsetzung politischer Maßnahmen simuliert.
Mit einer Stichprobe von 187 EbAV aus 18 Ländern (davon 21 aus Deutschland, s.u.) umfasste der Stresstest alle Länder des EWR mit bedeutenden EbAV. Insgesamt wurden mehr als 65% der Vermögenswerte in DB- und DC-Schemes analysiert. Die von EIOPA angestrebte Marktabdeckung von 60% der nationalen EbAV-Sektoren wurde in Deutschland mit den 21 Einrichtungen erreicht.
Gestaltung des Stresstests: schneller Preisanstieg für CO2-Emissionen …
Mit dem Stresstest sollte die Resilienz von EbAV gegen Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel beurteilt werden. Dazu wurden zunächst verzögerte Maßnahmen zur CO2-Reduktion unterstellt, woraus die Notwendigkeit resultierte, ab 2030 den Preis für CO2-Emmissionen schnell zu erhöhen, um das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Der schnelle Preisanstieg für CO2-Emissionen hätte dann annahmegemäß einen abrupten Übergang zu einer weniger CO2-intensiven Wirtschaft zur Folge. Die erwarteten Effekte dieses Übergangs wurden aggregiert auf den 31. Dezember 2021, den Stichtag des Stresstests, vorgezogen.
Nationale und gemeinsame Bewertungsstandards auf der Aktiv- …
Der Stresstest wurde sowohl auf Grundlage der jeweiligen nationalen Rechnungslegungsstandards NBS – in Deutschland also HGB – als auch auf Basis eines von EIOPA entwickelten einheitlichen europäischen, gemeinsamen Bewertungsstandards CBS mit Mark-to-Market-Bewertungen durchgeführt.
Nach dem CBS ergab sich ein Rückgang des Marktwerts der Kapitalanlagen der deutschen Teilnehmer von 14%, unter HGB von lediglich 4%.
Auf der Vermögensseite aller teilnehmenden 127 EbAV der 18 Länder verursachte das Stressszenario nach CBS einen Gesamtrückgang von 12,9%, was einem Bewertungsverlust von etwa 255 Mrd. Euro entspricht, teilte die EIOPA mit. Der größte Teil des Wertverlusts entfiel auf Aktien- und Rentenanlagen. Im Durchschnitt hatten die EbAV rund 6% ihrer Aktien und 10% ihrer Corporates in kohlenstoffintensiven Branchen wie Bergbau, Strom- und Gaswirtschaft sowie Landverkehr investiert, für die das Szenario hohe Abschreibungen zwischen 20 und 38% vorsah.
Quelle: EIOPA. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
… wie auf der Passivseite
Das Szenario, das auch Zinsänderungen beinhaltete, wirkte sich auch auf die Passivseite aus. Die Verbindlichkeiten sanken aufgrund des Anstiegs der risikofreien Zinssätze, was dazu beitrug, die Auswirkungen der Abwertungen auf der Aktivseite auf die Funding Ratios abzufedern, auch wenn sie den Rückgang nicht vollständig ausglichen.
Quelle: EIOPA. Grafik zur Volldarstellung anklicken.
Während europaweit die Ausfinanzierungsquoten nach der nationalen Methodik um 2,5 Prozentpunkte (von 122,7% auf 120,2 %) und nach der gemeinsamen Methodik um 2,9 Prozentpunkte (von 119,9% auf 117,0%) zurückgingen, blieben die aggregierten Funding Ratios der DB-Systeme nach dem Schock auch in den meisten Mitgliedstaaten über 100%, was zum Teil auf die starken Positionen vor dem Schock zurückzuführen ist, so die Aufsicht.
An sich beruhigend
„Betrachtet man sowohl die Vermögenswerte als auch die Verbindlichkeiten, scheinen die Auswirkungen auf die Funding Ratios überschaubar zu sein, was an sich schon beruhigend ist“, sagte die EIOPA-Vorsitzende Petra Hielkema, „dennoch zeigen die hohen Verluste auf der Aktivseite deutlich die Anfälligkeit des Sektors für Klimarisiken, insbesondere bei Investitionen in kohlenstoffintensive Industrien.“
Im diesjährigen Szenario habe ein Rückgang der Verbindlichkeiten aufgrund steigender Zinssätze dazu beigetragen, einen Großteil der Verluste auf der Aktivseite auszugleichen, aber das sei möglicherweise nicht in jedem Szenario der Fall, so die EIOPA-Chefin weiter. Es sei wichtig, darüber nachzudenken und in Erwägung zu ziehen, in Zukunft andere Szenarien zu testen, da sie einen noch besseren Einblick in die von den EbAV getragenen Umweltrisiken geben könnten. Positiv auffallend ist, dass die Niederländerin Hielkema offenbar jeden Alarmismus in der Kommunikation vermeidet.
Nur wenige machen es selbst
Der Stresstest wurde durch eine qualitative Umfrage zu Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen ergänzt, aus der hervorging, dass die EbAV zwar zunehmend ESG-Faktoren bei ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen – aber nur 14% der Einrichtungen gaben an, dass sie in ihrem eigenen Risikomanagement ökologische Stresstests durchführen. Die EIOPA will dabei festgestellt haben, dass die Ergebnisse darauf hindeuten, dass diese EbAV bei dem Test besser abschgeschnitten als diejenigen, die keine solchen Analysen durchführen, was laut Behörde darauf hindeute, dass eigene Klimastresstests den EbAV helfen, sich besser gegen Übergangsrisiken zu positionieren.
Kampf der Geldentwertung
Eine weitere qualitative Umfrage im Zusammenhang mit dem Stresstest untersuchte, inwieweit die EbAV versuchen, die negativen Wirkungen der Inflation auf die Kaufkraft künftiger Leistungen abzumildern. 55% der Einrichtungen gaben an, dass sie Systeme anbieten, bei denen die Leistungen direkt an die Inflation gekoppelt sind. 67% erklärten, dass sie mit ihren Anlagestrategien eine bessere Entwicklung als die Inflation anstreben oder zumindest die Abmilderung der Inflationseffekte zu ihren Zielen zählen.
In dem Szenario (das gemeinsam mit dem European Systemic Risk Board und der EZB entwickelt wurde) und in der angewandten Methodik sieht die EIOPA „einen bedeutenden Fortschritt bei der Quantifizierung möglicher Übergangsrisiken auf europäischer Ebene“. Da es sich bei Klima-Stresstests jedoch noch um ein neues Feld handele, „sollte die aktuelle Übung als Teil eines Lernprozesses sowohl für die Aufsichten als auch für die Teilnehmer gesehen werden, mit dem Ziel, ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Klimarisiken auf den Sektor zu fördern.“
BaFin: künftig bitte mehr
Auch die deutsche Aufsicht hat die Resultate der Untersuchung bereits kommentiert: „Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass sich durch den Klimawandel wesentliche Risiken für EbAV ergeben können“, sagte Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFin, und „die EbAV müssen sich daher künftig noch mehr mit den Risiken des Klimawandels auseinandersetzen.“
Mit Blick auf die Differenzen bei den Ergebnissen nach deutschen Rechnungslegungsstandards und denen der EIOPA, kommentierte Grund: „Die EbAV sollten im Rahmen ihres Risikomanagements auch solche Klimawandelszenarien betrachten, die unter HGB zu Abschreibungen bei allen wesentlichen Kapitalanlagearten führen“. Nur so könne das Ausmaß möglicher Belastungen durch den Klimawandel sinnvoll eingeschätzt werden.
Auf Seiten der EIOPA findet sich der gesamte Report, ein Factsheet und FAQ zu dem Klima-Stresstest.
Zum Schluss die Liste der teilnehmenden deutschen EbAV:
Allianz Pensionskasse AG
Allianz Versorgungskasse VVaG
BASF Pensionskasse VVaG
Bayer-Pensionskasse VVaG
Bosch Pensionsfonds AG
BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G.
Daimler Pensionsfonds AG
ERGO Pensionskasse AG
Hamburger Pensionskasse von 1905 VVaG
IBM Deutschland Pensionsfonds AG
Pensionskasse Degussa VVaG
Pensionskasse der Mitarbeiter der Hoechst-Gruppe VVaG
Pro bAV Pensionskasse AG
R+V Pensionsversicherung a.G.
RWE Pensionsfonds AG
Siemens Pensionsfonds AG
VBL – freiwillige Versicherung
Willis Towers Watson Pensionsfonds AG
Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG