… kann die Schlange manchmal grenzenlos sein. Samstags, selten und in unregelmäßigen Abständen, greift LEITERbAV nach Lust und Laune Dinge des Lebens auf, die so gar nichts mit dem Pensionswesens zu tun haben wollen. Heute: Von Fliegen und Flüchen, von halben Wahrheiten und begrabenen Hunden.
Zeitungen und TV sind voll davon, und die allermeisten aus der LbAV-Leserschaft dürften die Erfahrung schon am eigenen Leib gemacht haben: An deutschen Flughäfen (und auch zum Teil im Ausland) herrscht das blanke Chaos!
Chaos heißt in dem Fall, Schlange stehen und nochmal Schlange stehen und nochmal Schlange stehen – vor den Sicherheitschecks, zum Teil aber auch beim Check-in; hinzu kommen Wartezeiten und Probleme bei der Gepäckabfertigung. Die Ursache scheint allen klar. Unisono sind sich Politik, Medien, Flughäfen und auch öffentlich befragte Passagiere einig: Personalmangel infolge der HR-Verwerfungen im Zuge der Pandemie-Lockdowns. Doch ist das wirklich so?
Faule Ausreden allerorten
Genauso, wie bei der Inflation die Lieferketten und jetzt auch noch der Krieg im Osten als Ausreden herhalten müssen (doch beides verstärkt die Inflation nur, die es schon vorher gab) ist auch der angebliche Personalmangel für das Sommer-Chaos als Ursache nur die halbe Wahrheit, vermutlich gar weniger als das.1)
Daher hier ein kleiner kassandrischer Erfahrungsbericht samt schneller Analyse zur Lage an deutschenFlughäfen im Sommer 2022 – und der Chronist hat längst nicht alle, aber wenigstens einige von ihnen in diesen Monaten in Anspruch genommen, nämlich Berlin, Köln, Dresden und Düsseldorf, und außerdem zur Sicherheit Erfahrungsberichte Dritter eingeholt. Die folgenden Schilderungen dürften aber vermutlich – da die Medienberichte sich immer gleichen – die allermeisten der deutschen Flughäfen betreffen.
Inaugenscheinnahme in Deutschland und …
Zunächst die Lage, wie sie sich jedermann darstellt und jederfrau auch. Beispiel Berlin BER, regelmäßig in diesen Wochen das übliche Spiel: Man macht sich früh auf den Weg, man ist erfahren mittlerweile und kommtin weiser Voraussicht mehrere Stunden vor Abflugzeit bereits am Flughafen an.
Check-in ist natürlich längst online erfolgt, wie stets nur Handgepäck, also direkt zur Security. Und dort praktisch immer das gleiche Bild: Schlangen vor den Sicherheitschecks, die ohne weiteres in der Summe mehrere Hundert Meter erreichen. Wartezeiten regelmäßig von 30 Minuten bis zu mehreren Stunden. Die Berichte von verpassten Flügen trotz mehr als zeitiger Anreise häufen sich. Tausende Menschen verlieren tausende Stunden Lebenszeit. Und Freude sowieso. Tag für Tag.
Köln-Bonn vor drei Wochen von Kollegen ähnlich erlebt: Einige Hundert Meter Schlange von der Security, doch dahinter fast gähnende Leere in der Abflughalle. Von ungewöhnlichem Passagieraufkommen kann keine Rede sein. Und nochmal Köln-Bonn, vor einer Woche: Der Chronist ist über 2,5h vor Abflug vor Ort, doch ohne die für ihn ausnahmsweise via Business-Class zugängliche Fast Lane hätte er unmittelbar jede Hoffnung auf den Flug nach Stockholm-Arlanda fahren lassen können. 2)
… in Palma de Mallorca
Szenenwechsel, Palma de Mallorca, Flughafen PMI im Sommer 2022, und gegensätzlicher könnten die Erfahrungen kaum sein:
PMI ist in dieser Hochsaison wenig überraschend ständig gut besucht, in der Abflughalle fühlt man sich zuweilen wie auf einer Kirmes, man muss schon fast von Gedränge reden. Jedoch mehrfach selbst erlebt, mehrfach mit Kollegen besprochen:
Beim Eintreffen an den Sicherheitsschleusen begrüßen den Reisenden nur kurze Schlangen, und die Wartezeit beträgt regelmäßig wenige Minuten. Bei seinem jüngsten Abflug Mitte Juli – und der Chronist hat es tatsächlich mit der Stoppuhr verfolgt – waren es weniger als 60 Sekunden!
Also: Deutsche Flughäfen mit meist endlosen Schlangen VOR den Sicherheitsschleusen und danach oft wenig los. Dagegen in Mallorca kaum Wartezeiten vor den Schleusen, dafür dahinter Reisende in sehr großer Zahl.
Gab es in Palma keine Lockdowns?
Wie gesagt, als Ursache für die depressive Lage in Deutschland wird unisono landauf, landab ein vorgeblicher Personalmangel geltend gemacht, und weder in der Öffentlichkeit noch in der Politik und meist auch nicht unter den Passagieren wird dies irgendwie infrage gestellt, sondern quasi als gegeben hin genommen. Wie auch sonst vorherrschend: der pure Fatalismus, vulgo: Schulterzucken.
Hat es denn in Mallorca keine Lockdowns gegeben? Hat es in Mallorca weniger Verwerfungen beim Personal gegeben? Nein das ist nicht der Unterschied, das ist auch nicht die Ursache, und das ist auch nicht der Grund des Ganzen. Aber was dann?
Die zwei begrabenen Hunde: kurze Tische …
Nun zu den wahren Gründen: Jeder, der einigermaßen aufmerksam die Lage vor den Sicherheitsschleusen (und nur von denen ist hier die Rede, nicht vom Check-in und nicht vom Gepäck) in Deutschland beobachtet (und Zeit dazu haben ja alle satt und genug), der stellt einen entscheidenden Unterschied fest in der Handhabung der deutschen Sicherheitskontrolle im Vergleich zu dem hier gewählten Beispiel Palma de Mallorca.
Typischer Sicherheitscheck an einem deutschen Flughafen: Der Passagier stellt sich in die Schlange und wartet dort, bis an der Reihe ist. Unmittelbar vor der Schleuse kommt er dann in den kleinen Bereich, wo er auf auf dem Transportband/tisch vor der Schleuse sein Gepäck zur Durchleuchtung vorbereiten kann. Und hier liegt schonmal der erste Hund begraben:
Wie gesagt, dieses Vorbereiten des Handgepäcks erfolgt in Deutschland praktisch überall immer erst unmittelbar, wenn der Passagier an der Sicherheitskontrolle an der Reihe ist. Grund ist, dass der hier zur Verfügung stehende Raum (also der kleine Tisch, auf dem bewegliche Rollen gelagert sind), sehr kurz ist – meist so kurz, dass maximal zwei Passagiere nebeneinander Gepäck packen können, meist gar nur einer.
Wenn aber jeder Passagier erst kurz vor der Schleuse beginnt zu packen, vergehen häufig 30 Sekunden bis zu zwei Minuten – mit der Folge, dass auch nur alle 30 Sekunden bis zu zwei Minuten ein einzelner Passagier die Schleuse passiert (das achso knapp bemessene Personal steht so lange tatenlos herum).
… und individuelle Beratungsgespräche
Hinzu tritt ein zweiter begrabener Hund, den der Chronist jüngst höchst persönlich in Köln 3), in Dresden und vor allen Dingen in Berlin vielfach erfahren musste, und das hat auch damit zu tun, dass die offenen Schleusen oftmals gar nicht so dünn besetzt erscheinen, im Gegenteil:
Jeder einzelne Passagier in Deutschland, der an die Sicherheitsschleuse tritt, erhält sein ganz persönliches, individuelles Beratungsgespräch, und das gefragt oder ungefragt:
„Schönen guten Tag. Haben Sie Flüssigkeiten dabei? Haben Sie einen Laptop dabei? Brennbare Gegenstände? Ob Sie diesen Gürtel besser ausziehen, fragen Sie? Hm, lassen Sie mal sehen. Da ist ja schon Metall dran. Ich frage mal den Kollegen. Ingo, was denkst von diesem Gürtel der Dame hier, ausziehen oder anlassen?“ „Zeigense mal her, juute Frau, also, ick sach mal…“ usw. usf., Fragen über Fragen – die beantwortet, teils regelrecht ausdiskutiert werden wollen. Je nach Charakter, Geschlecht, Alter und Laune der Beteiligten wächst sich das individuelle Beratungsgespräch zuweilen zu einem regelrechten kleinen Plausch aus. Das Personal ist übrigens überall, selbst im motzigen Berlin, dabei stets von auffallender Höflichkeit (und dazu, das weiß die Redaktion, auch ausdrücklich angewiesen).
Ergebnis: Der Durchsatz an der Schleuse verzögert sich noch weiter.
Schwarmintelligenz? Welche Schwarmintelligenz?
Der Chronist ist übrigens stets bestrebt, schon vor Erreichen der Schleuse auf dem Boden sein Gepäck vorzubereiten und unternimmt außerdem alles, das freundlich angetragene Beratungsgespräch kurz zu halten oder ganz abzulehnen – nur um den Verkehr hinter sich nicht weiter aufzuhalten. Doch ein solches Verhalten setzt ein zumindest rudimentäres Sozialverhalten voraus – über das offenbar die meisten Menschen nicht mehr verfügen.
Im Gegenteil: Wer nach 1-3 Stunden Wartezeit endlich an der Reihe ist, der hat sein Ärgernis ja in diesem Moment bereits hinter sich, dessen persönlicher Leidensdruck sinkt auf Null, und dem/der kommt das Angebot zu einem kleinen Plausch gerade recht. Man fragt sich, woher der Begriff der Schwarmintelligenz stammt.
Kein Gequatsche in Mallorca
Der Chronist fliegt seit 25 Jahren vom Airport Palma de Mallorca, PMI. Was ist dort anders?
Erstens mehr Schleusen, zugegeben (doch warum hat man die nicht wenigstens beim neuen BER direkt in größere Zahl angelegt?). Zweitens und nicht minder wichtig: Die Möglichkeit, sein Gepäck vorzubereiten, ist nicht auf 1,50m begrenzt, sondern circa 4-5 m lang (einfache Tische mit gelagerten Rollen, High Tech ist anders).
Folge: Die Menschen fangen schon 5m vor der Schleuse an, also ungefähr 8-9 Menschen, bevor sie an der Reihe sind, ihr Gepäck zu präparieren. Das ist ausreichend. Wenn sie schließlich an der Reihe sind, können sie unmittelbar die Schleuse durchschreiten, ohne dass sie erst dort anfangen müssten, ihr Gepäck vorzubereiten. Um diesen entscheidenden Unterscheid zu Deutschland zu erfassen, muss man wirklich kein Einstein sein.
Drittens: In 25 Jahren hat der Chronist nicht einmal erlebt, dass das Sicherheitspersonal in Mallorca ohne triftigen Grund irgendeine Form des Gesprächs mit irgendeinem der Passagiere gesucht hätte. Hinzu kommt ihre Körpersprache, die zeigt, dass sie an irgendeinem Austausch mit den ihnen Anvertrauten nicht das Geringste Interesse haben. Wenn überhaupt irgendeine Kommunikation stattfindet, dann das Handzeichen, dass man die Schleuse durchschreiten möge.
Und hier gibt es sie dann doch, die kleine Schwarmintelligenz, die dann dafür sorgt, dass auch alle Passagiere vom Kind bis zur Oma diese mehrere Meter Tisch vor den Sicherheitsschleuse nutzen, ihr Gepäck vorzubereiten – und das ganz ohne individuelles Beratungsgespräch. Ganz auf sich allein gestellt und ohne angequatscht zu werden. Niemand, wirklich niemand käme im PMI auf die Idee, sein Gepäck auf dem langen Tisch abzustellen, nach vorne zu schieben, und dann erst zu packen, wenn er vorne vor der Schleuse steht. Der Chronist hat es jedenfalls noch nie erlebt. Außerdem wäre dies ohne Zweifel einer der wenigen Fälle, bei denen das Sicherheitspersonal die Kommunikation suchen würde, und die wäre nicht freundlich, sondern zackig.
Und es kommt umgekehrt auch praktisch niemals vor, dass einer der Passagiere, vom Kind bis zur Oma, irgendeine Form der Kommunikation oder Hilfestellung des Sicherheitspersonals benötigte, um sein Gepäck adäquat vorzubereiten. Selbst die debilsten unter den Fluggästen packen ihr Gepäck allein (oder im Zweifel mit Hilfe ihrer Begleitung).
Wenn also die Menschen in Mallorca an die Reihe kommen, durch die Sicherheitsschleuse zu schreiten, sind sie nicht vollgequatscht worden und haben ihr Gepäck längst vorbereitet. Folge ist, dass dort alle 5-10 Sekunden ein Mensch die Schleuse passiert. Und nicht wie in Deutschland alle 30-60 oder gar 120 Sekunden. Das sichtbare Ergebnis ist eingangs geschildert worden: in Köln mehrere Hundert Meter Schlange vor der Sicherheitsschleuse, dafür in der Abflughallegelände Leere. In Mallorca keine Schlangen vor der Sicherheitsschleuse, dafür volle Abflughalle.
Nochmal: Der Chronist hat in diesem Sommer bereits mehrfach die Schleuse in PMI passiert und bewusst für diesen Beitrag mehrere Kollegen befragt, die ebenfalls von Mallorca geflogen sind. In keinem Fall kam es zu Wartezeiten von länger als 5 Minuten, im Einzelfall sogar unter 60 Sekunden.
Und zur Klarstellung: PMI ist mit ca. 30 Mio. Passagieren p.a. alles andere als ein Leichtgewicht, dürfte ganz im Gegenteil die allermeisten deutschen Flughäfen in den Schatten stellen.
(Keine) Einschränkungen
Erneut: Es wird hier keinerlei Aussage darüber getroffen, wie die Lage an den Check-in-Schaltern und bei der Kofferabfertigung ist und ob die Personaldecke bei den zuständigen Unternehmen wirklich dünn ist oder nicht. Darum geht es hier auch nicht. Es geht einzig und allein darum, inwiefern an den Sicherheitsschleusen ungeachtet möglicherweise fehlenden Personals durch fehlerhafte Weichenstellungen in der Organisation auf primitiv-dümmlichste Art die Zustände herbei geführt werden, wie wir alle sie diesen Sommer vergegenwärtigen. Und niemand in der Öffentlichkeit hinterfragt das. 4)
Und zugegeben, es gibt zuweilen auch andere Flaschenhälse: Vor einer Woche in Köln bspw. die langsame Durchleuchtung des Handgepäcks, so dass hier Schlangen entstanden; Ursache unklar. Das ändert aber nichts an dem alles überragenden Problem: Schlangen, die entstehen, weil die Menschen erst unmittelbar vor der Schleuse die Gelegenheit haben, ihr Handgepäck vorzubereiten, und dies im Zusammenwirken mit ihrem ganz persönlichen Beratungsgespräch, was die Sache weiter verzögert.
Übrigens sage umgekehrt niemand, dass es bauliche Limitierungen oder gar der Brandschutz seien, welche ausgreifendere Möglichkeiten zur Handgepäck-Vorbereitung nicht zuließen. Abgesehen davon, dass der BER jüngst erst geplant worden ist: Wo es Platz gibt für 500m Schlange, da gibt es auch Platz für 5m Tische. Kosten vernachlässigbar. Man könnte dort ein paar alte Biertische aufstellen, man würde diesen Effekt erreichen. Und dem Personal das Gequatsche zu verbieten, kostet gar nichts.
Nun kann man noch einwenden, dass es an BER & Co. nicht IMMER so lange Schlangen an der Security gibt, manchmal die Lage wirklich entspannt ist und ab und zu fast gar kein Betrieb. Allein: Das nützt niemandem, da man als Passagier dies im Vorfeld nicht kalkulieren kann, und auch die Online-Angaben auf den Flughafen-Seiten im Netz sind viel zu unzuverlässig. Es reicht, dass es MANCHMAL oder gar OFT lange Schlangen gibt, um ALLE Passagiere zu zwingen, IMMER mehrere Stunden vor Abflug anzureisen. Ist dann wenig los, steht man eben nicht stundenlang in der Schlange, sondern sitzt stundenlang im Flughafencafé.
In Mallorca dagegen ist es noch althergebracht üblich, wie wir es früher auch in Deutschland kannten: So zum Flughafen fahren, dass man 60 Min. vor Abflug da ist, reicht satt und genug.
Kein deutsches Problem
Wie stets sei gewarnt, heimische Missstände mit billigen „Die Deutschen-Klischees“ erklären zu wollen. Schweden ist ein Land, in dem der Chronist verhältnismäßig viel Zeit verbringt und das er für recht klug und gut gemanagt hält. Die vorliegenden Zeilen schreibt er gerade aus einer Bar in der Stockholmer Altstadt heraus.
Umso bemerkenswerter und enttäuschender jedoch, dass, wie er schon diesen Frühling feststellen musste, exakt die gleichen Probleme und das gleiche Chaos, das man von deutschen Flughäfen kennt, in Stockholm-Arlanda fast spiegelbildlich genauso auftritt. Kleiner Unterschied: Während man die Schlangen in deutschen Flughäfen in Hunderten Metern misst, musste man das in Stockholm (zumindest in diesem Frühling) – keine Übertreibung – bereits in Kilometern messen. Der Chronist hat es wie gesagt im Mai selbst erlebt und fotografisch bezeugt.
Den Schweden an sich hält der Chronist grundsätzlich für intellektuell zugänglich. Insofern unternahm er zweimal den Versuch, an dem Stockholmer Flughafen die hier geschilderte Frage der Organisation kurz zu thematisieren, auch bei einem auf mittlerer Ebene Verantwortlichen. Dessen Reaktion hier wieder zu geben, lohnt die digitale Druckerschwärze nicht, belegte sie doch offenkundig nichts anderes als intellektuellen Analphabetismus. Am heutigen Samstag-Nachmittag wird der Chronist von Stockholm-Arlanda abfliegen. Auf die Lage dort ist er jetzt schon gespannt.
Man hilft ja gern
Übrigens konnte der Chronist an dem kleinen Flughafen Posen/Polen, wo er vor einiger Zeit mit diesem Problem ebenfalls dergestalt konfrontiert worden ist, dass ihm der Abflug unerreichbar schien, an seiner Schleuse und einer benachbarten für Abhilfe sorgen: Es gab zwar klugerweise lange Tische, die aber dummerweise niemand nutzte, während das Mindestlohn-Personal das Problem ebenfalls nicht erkannte.
Jedoch: Laute, semi-militärisch vorgetragene Handlungsanweisungen können bei Personal und Passagieren zuweilen wahre Wunder wirken. Bis zum eigenen Abflug konnte der Chronist mit Zufriedenheit feststellen, dass sich Disziplin und Durchsatz an beiden Schleusen signifikant verbesserten und zwei dort stehende polnische Militärs die Kommandosprache mit Erfolg gegenüber Personal und Passagieren übernahmen – und die Menschen weder Zeit verloren noch Flüge verpassten. Man hilft ja gern, Gott vergelts. Allerdings ist dem Chronisten von der Langzeitwirkung natürlich nichts bekannt. Von einer Anwendung dieser Art der Hilfestellung in den USA sei übrigens abgeraten (ist dort aber wahrscheinlich auch gar nicht nötig).
Zur Erklärung bleibt nur Schiller
Fazit: Sind die Spanier bessere Organisatoren als Deutsche (und Schweden)? Kaum. Haben Sie mehr Personal? Vielleicht ja, vielleicht nein, unklar. Jedoch ist das wie gesagt gar nicht der entscheidende Faktor. Jedenfalls wäre Abhilfe denkbar einfach:
Die Möglichkeiten der Gepäck-Vorbereitung ausdehnen, indem man ein paar Tische aufstellt. Außerdem das individuelle Anquatschen der Passagiere einstellen. Und schließlich das Personal anhalten, da, wo überhaupt nötig, mit kurzen Kommandos die Passagiere zum frühzeitigen Vorbereiten des Gepäcks auffordern (was aber meist von allein funktioniert). Damit wäre zwar nicht der gesamte, aber doch der allermeiste Druck aus dem Kessel. Sollte es an den Kosten liegen: LEITERbAV spendiert den deutschen Flughäfen gern 500 alte Biertische, das sollte fürs erste reichen. Die Einsatzgrundsätze des Personals umzustellen, übernimmt der Chronist zusätzlich ebenfalls gern. Anruf aus dem BMI in der Redaktion genügt.
Und warum passiert das nicht? Das ist wirklich ein Rätsel. Der Chronist hat nur eine Erklärung. Diese bezieht sich auf die dort für die Sicherheit Verantwortlichen – und stammt von Schiller:
„Mit Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.“
Insofern keine Besserung in Sicht.
3 x Update
Erstes Update am heutigen Samstag, Stockholm-Arlanda, gegen Mittag: überschaubares Passagieraufkommen, trotzdem zähe Schlangen, Ursache der Verzögerungen wie hier geschildert. Übrigens klagt auch der Stockholmer Flughafen in der schwedischen Öffentlichkeit über Personalengpässe. Dazu passt, dass allein an der elektronischen Schleuse, bei der man als Flugast selbständig mittels Bordkarte den Zugang zur Sicherheitskontrolle öffnet, fünf Bedienstete dazu abgestellt sind, dabei zuzusehen; einer von denen sagt dann ab und zu „please“. In Palma de Mallorca macht diesen Job wer? Richtig: keiner.
Zweites Update am heutigen Samstag, Stockholm-Arlanda, gegen Nachmittag: Der Ryanair-Flug FR 7678 von ARL nach POZ erfolgt in einer von der Airline so genannten Boeing 737-8200.
Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Boeing 737-800 MAX, also die unglücklich konzeptionierte Unglücksmaschine, die bei zwei Abstürzen vor rund drei Jahren fast 400 Menschen mit in den Tod nahm, lange auf der Tabu-Liste stand, aber heute vereinzelt wieder fliegt. Warum Ryanair als eine der wenigen Airlines an dem Typ festhält und ihn quasi „heimlich“ umbenannt hat, das hat der Stern vor einiger Zeit gut aufgearbeitet.
Drittes Update: Michael Ries, Geschäftsführer der adesso benefit solutions, berichtet in Reaktion auf den vorliegenden Artikel von seiner Erfahrung, die er am 7. August am Airport Nizza gemacht hat: „An der Sicherheit 5m Rolltische und kein Gequatsche: 55 Sekunden.“
FN1) Es soll hier gar nicht bestritten werden, dass auch die Arbeitskräfteproblematik zu den Verwerfungen beiträgt. Doch kein Artikel auf LEITERbAV ohne Bezug zur (Notenbank-)Politik: Auch die Friktionen auf dem Arbeitsmarkt fallen nicht vom Himmel. Im Gegenteil, wer Lockdowns mit Transferleistungen, Geldschwemme und sinnfreier Regulierung (Nachweisgesetz) kombiniert, der darf sich nicht wundern, wenn auch der Arbeitsmarkt, gerade der Arbeitsmarkt völlig aus den Fugen gerät. Wie wir gerade sehen, gilt wie fast überall im Leben auch hier, dass Strukturen, die sich über lange Zeiträume langsam entwickelt haben, innerhalb kürzester Zeit nachhaltig beschädigt werden können. Vermutlich stehen wir hier erst am Anfang der Entwicklung.
FN 2) Am Rande: Zumindest am Airport Köln/Bonn hat der Chronist eine Sicherheitslücke ermittelt, die es technisch nur halbwegs Begabten möglich macht, die Fast Lane auch ohne Business Class-Ticket (fein) bzw. ohne gefälschten Behindertenausweis (unfein) zu nutzen. Da die Vorgehensweise vermutlich eine Straftat darstellt (Erschleichung von Dienstleistungen), kann hier darauf nicht näher eingegangen werden.
FN 3) Zum Airport Köln/Bonn hier auch etwas Positives: Weiland sah der Chronist, der gern als letzter aus dem Flugzeug steigt, just dabei zufällig auf die Uhr: Um 12.20 Uhr erhebt er sich von seinem Sitz in der Maschine, nur Handgepäck, ohne Hast der Gang zum Flughafen-Bahnhof, unterwegs Ticket per Bahn-App gekauft, zufällig rollt gerade die SBahn ein, und um 12.45 steht er im Kölner Hauptbahnhof. Ob dieser ein Place to be ist, sei dahingestellt, aber however: 25 Minuten vom Aufstehen in der Maschine bis zum Aussteigen am Hbf mitten in der City – das schafft man, so behauptet der Chronist mit Nichtwissen, wohl kaum in irgendeiner anderen größeren Stadt der Welt.
FN 4) Natürlich: Trifft man auf einen Flughafen, wo es viele Schleusen und viel Personal gibt, diese zu besetzen, dann fallen die geschilderten Probleme nicht auf. Doch ist eben das nicht der Fall. Jetzt, wo die Flughäfen nicht fett aus dem vollen Personalbestand schöpfen können, sondern auf einmal schlank und effizient arbeiten müssen, brechen sie sofort ein. Umso wichtiger wäre es, dies zum Anlass zu nehmen, endlich und mit viel Verspätung die Strukturen auf einfachste Art zu verbessern.
Auf die Verlinkung des zur heutigen Headline anregenden Kulturstücks wird verzichtet. Kennt auch so jeder.